Hamburger Ökotrophologin testet mögliche süße Austauschstoffe auf ihre Eigenschaften.

Hamburg. Wenn die Deutschen gerade kein sommerliches Eis in der Hand haben, greifen sie immer häufiger zur Naschtüte. Ein Trend, der sich in dem hohen Anteil der Übergewichtigen an der Gesamtbevölkerung widerspiegelt: Aktuellen Studien zufolge sind in Deutschland mehr als 50 Prozent der Frauen und Männer übergewichtig. Sie ernähren sich nicht nur zu fett, sondern nehmen auch eine zu große Menge an Zucker zu sich - pro Jahr sind es etwa 35 Kilogramm reiner Zucker. Und die Tendenz ist steigend: Jedes Jahr werden es pro Kopf 400 Gramm mehr.

Es muss aber nicht immer Zucker sein: Der süße Geschmack und seine technologischen Eigenschaften beim Kochen und Backen können auch auf andere Art und Weise erreicht werden. Prof. Mechthild Busch-Stockfisch ist Leiterin eines Forschungsprojekts an der Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW), welches zuckerfreie Süßungssysteme entwickelt. "Einige Substanzen haben sich bereits als sehr brauchbar erwiesen", berichtet die Ökotrophologin. "Sie sind zahnfreundlich und haben einen deutlich niedrigeren Energiegehalt." Auch in anderen Punkten unterscheiden sie sich vom Zucker.

Erythritol wird aus Glucose, einem Einfachzucker, gewonnen. Es hat fast keine Energie und somit auch kaum eine Auswirkung auf den Blutzuckerspiegel. Erythritol ist nur halb so süß wie Zucker. Es kann gut für Gebäcke, Schäume, Softgetränke und Smoothies eingesetzt werden und ist sehr verträglich.

Inulin und Oligofructose sind aus Fructoseeinheiten, also aus Fruchtzucker, aufgebaut. Sie verfügen über 30 bis 50 Prozent der Süßkraft von Zucker und werden bereits in Joghurts verwendet, um den Geschmack, die Textur und das Mundgefühl zu verbessern. Sie sind auch als Backzusätze gut geeignet. Bei übermäßigem Verzehr (mehr als fünf Gramm pro Tag) können sie jedoch Blähungen auslösen.

Polydextrose ist eine synthetische Verbindung aus Glucose, Sorbit und Zitronensäure. Sie ist nicht annähernd so süß wie Zucker, lässt sich aber ähnlich verarbeiten. Ab einer Einzeldosis von 50 g oder einer Tagesdosis von 90 g wirkt sie jedoch stark abführend.

Isomalt ist ein Zuckeralkohol, der im Gegensatz zum in Spirituosen enthaltenen Ethanol keine berauschende Wirkung hat. Isomalt schmeckt genauso natürlich wie Zucker, aber weist nur die Hälfte von dessen Süße auf. Es hat einen sehr geringen Energiegehalt und wird von der Industrie bereits als Zuckeraustauschstoff in Lebensmitteln wie Kaugummis, Schokolade und Backwaren verwendet. Isomalt ist allerdings schwer verdaulich und kann bei übermäßigem Verzehr zu Durchfall führen.

Maltit ist ein Zuckeralkohol, der aus Mais- und Weizenstärke gewonnen wird. Es verfügt über etwa 70 Prozent der Zuckersüße und hat einen geringen Energiegehalt. Es lässt sich als Sirup herstellen und wird als Bindemittel in Riegeln verwendet, die je nach Anteil und Vorkommen anderer Süßungsmittel zuckerreduziert, zuckerarm oder zuckerfrei sein können. Maltit kann aber auch in großen Mengen abführend wirken oder Blähungen hervorrufen.

Stevia ist ein Erzeugnis der gleichnamigen Pflanze. 300-mal süßer als Zucker ist es frei jeglicher Energie, hat aber nicht die gleichen technologischen Eigenschaften wie Zucker. Zu bemängeln wäre die bittere Nachsüße, die schwer zu neutralisieren ist. Derzeit ist Stevia in Deutschland noch nicht als Süßungsmittel zugelassen. Dies soll sich jedoch voraussichtlich bis Anfang 2011 ändern.

Gegenüber jedem dieser Zuckeraustauschstoffe hat Zucker unbestreitbare Vorzüge. Die alternativen Substanzen unterscheiden sich vom Zucker entweder im Grad der Süße oder in den technologischen Verarbeitungsmöglichkeiten. Erst in der Kombination verschiedener Substanzen kann sich Zucker genähert werden. Wie diese Kombinationen aussehen können, untersucht Busch-Stockfisch in ihrem Forschungsprojekt. "In den USA, der Schweiz und Frankreich gibt es schon Produkte im Markt", sagt die Expertin, "aber auch deutsche Hersteller von süßen Produkten experimentieren, um gute Kombinationen zu finden." Welche Kombination verwendet wird, hängt aber nicht zuletzt von dem Produkt selbst ab und muss immer wieder individuell ermittelt werden.

Die Wissenschaftlerin blickt optimistisch in die Zukunft: "Zucker wird wohl nie vollständig ersetzt werden. Aber es wird schon bald mehr Produkte geben, die zuckerfrei sind und trotzdem den zuckerhaltigen Produkten nahekommen." Man müsse zwar mit höheren Preisen rechnen, aber schließlich täte man ja auch etwas für seine Gesundheit.