Weniger Beeinträchtigungen im Beruf. Ärzte wollen Lebensqualität weiter verbessern

Hamburg. Wie kann man dafür sorgen, dass Rheumapatienten in ihrem Alltag möglichst wenige Einschränkungen hinnehmen müssen, dass sie voll am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können? Die Lebensqualität von Patienten mit dieser chronischen Erkrankung war eins der zentralen Themen auf dem europäischen Rheumakongress, der kürzlich mit 16 000 Teilnehmern in Rom stattfand. "Wir können bereits heute durch Kombinationen der normalen Rheumamittel und durch neue Medikamente, sogenannte Biologicals, die chronische Entzündung und den Knochenabbau bei den Patienten stoppen. Jetzt richten wir unser Augenmerk auf die Lebensqualität", sagt Prof. Jürgen Wollenhaupt, Chefarzt der Abteilung für Rheumatologie in der Schön-Klinik Hamburg-Eilbek, der den Kongress besucht hat. Durch die neuen Therapiestrategien hat die Lebensqualität der Patienten schon erheblich gewonnen. "Noch vor zehn Jahren war ein Drittel der Patienten mit einer schweren Rheumaerkrankung innerhalb von drei Jahren nach Diagnosestellung erwerbsunfähig. Wir haben jetzt eine fast normale Erwerbsquote erreicht", so Wollenhaupt. Man könne mit Rheuma heute in seinem Beruf arbeiten. "Wenn früher jemand Tischler oder Zahnarzt werden wollte, mussten wir raten: ,Mit Rheuma sollten Sie einen anderen Beruf wählen.' Heute können Rheumapatienten ihren Beruf fast frei wählen und ausüben."

Der Rheumatologe hat in Rom verschiedene Forschungsergebnisse vorgestellt, unter anderem eine Studie, die er mit der Selbsthilfeorganisation Rheumaliga durchgeführt hat. Dabei wurden 3000 Mitglieder der Rheumaliga Niedersachen zu ihren Erwartungen an die Behandlung, ihren Wünschen und ihren Einschränkungen durch die Erkrankung befragt. 900 antworteten, von denen 300 schon jahrelang an einer Rheumatoiden Arthritis leiden.

Das Ergebnis der Befragung: Patienten mit Rheumatoider Arthritis schätzen sich insgesamt als recht gesund ein, obwohl sie große Einschränkungen haben - zum Beispiel in der Mobilität oder bei Hausarbeiten. Viele dieser Patienten sind auf familiäre Hilfe angewiesen. Ihr größter Wunsch ist nicht, die Krankheit nicht mehr zu spüren, sondern wieder von fremder Hilfe unabhängig zu sein. Von ihrem behandelnden Arzt erwarten sie mehr Zeit für das persönliche Gespräch und von neuen Medikamenten, dass sie schnell wirken, nur einmal pro Tag eingenommen werden müssen und keine Nebenwirkungen haben.

Um das zu erreichen, arbeitet die Forschung daran, eine personalisierte Medizin zu entwickeln. "Diese Medizin steckt bei Rheuma noch in den Anfängen. Aber wir hoffen, dass wir in den kommenden Jahren Laborwerte und genetische Marker finden, anhand derer wir vorhersagen können, welches Medikament für welchen Patienten am besten infrage kommt. Das wird wahrscheinlich dazu führen, dass das, was wir heute Rheumatoide Arthritis nennen, nur noch ein Überbegriff für verschiedene voneinander abgrenzbare Einzelerkrankungen sein wird", sagt Wollenhaupt. Schon heute sind die Biologicals zu einer Gruppe von Akteuren angewachsen, die auf unterschiedliche Entzündungsbotenstoffe abzielt und somit auch mehrere Ansatzpunkte für die Behandlung bietet.

Sie sind mittlerweile fester Bestandteil eines international gültigen Therapieschemas: An erster Stelle steht das entzündungshemmende Standardmedikament Methotrexat, in Kombination mit speziellen Rheumaschmerzmitteln, die nur noch kurzfristig bei Schmerzschüben oder bei Bedarf eingesetzt werden. Wenn das nicht reicht, wird Methotrexat mit Rheumamitteln aus anderen Wirkstoffgruppen kombiniert. Reicht auch das nicht, erhält der Patient Biologicals, meist kombiniert mit Methotrexat.

"Mit dieser Therapie kann man bei Patienten, die heute erkranken, das Rheuma stoppen. Aber auch Patienten, die schon lange krank sind, profitieren von dieser Therapie", sagt Wollenhaupt. Denn Rheumapatienten haben ein hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, weil die Entzündung zu Schäden an den Blutgefäßen führt. "Deswegen lohnt sich auch bei langjährigem Rheuma, trotz schon eingetretener Behinderung die Therapie zu optimieren, weil wir dann Gefäß- und Organkomplikationen vermeiden können."

Einem Symptom bei vielen Rheumapatienten stehen die Ärzte noch ziemlich hilflos gegenüber: der sogenannten Fatigue, einer chronischen Abgeschlagenheit. "Das sehen wir auch bei Patienten, denen es von den Gelenken her gut geht und die auch keine Entzündungswerte mehr im Blut aufweisen. Wir haben noch keine Möglichkeit gefunden, diese Abgeschlagenheit effektiv zu behandeln", sagt Wollenhaupt. Es gebe einige Hypothesen, dass auch dabei Entzündungsbotenstoffe eine Rolle spielen. Jetzt soll erforscht werden, welche genau dabei im Spiel sind und nach Therapieansätzen gesucht werden, die sich nicht nur auf die Gelenke, sondern auch auf die Fatigue auswirken. "Das ist für mich ein weiteres Beispiel für die Hauptzielrichtung in der Therapie: eine ganzheitliche Behandlung des Patienten", sagt Wollenhaupt.