Kinder mit allergischer Vorbelastung sollten daran nicht teilnehmen, rät Umweltbundesamt. Hamburger Arzt hält Warnung für voreilig.

Hamburg. Babys unter zwei Jahren, in deren Familien gehäuft Allergien auftreten, sollten sich nicht in Schwimmbädern aufhalten, weil in der Hallenluft enthaltenes Trichloramin womöglich Asthma auslösen kann. Darauf hat das Umweltbundesamt (UBA) hingewiesen. Trichloramin entsteht, wenn Chlor im Beckenwasser mit Harnstoff in Kontakt kommt, den Badende durch Urin, Schweiß, Kosmetika oder Hautschuppen ins Wasser bringen. Die Substanz verursacht den für Schwimmbäder typischen Chlorgeruch.

Einen möglichen Zusammenhang zwischen der chronischen Lungenkrankheit Asthma und gechlortem Wasser hatten 2003 erstmals belgische Forscher in einer Studie diskutiert; es folgten weitere internationale Studien, die zu ähnlichen Schlussfolgerungen kamen. Demnach könnte Trichloramin bei Babys das Lungenepithel schädigen, eine Zellschicht, die einen Teil der Bronchien auskleidet. Kommt dies wiederholt vor, steigt vermutlich das Risiko, Asthma zu entwickeln. Eine Schädigung des Lungenepithels ist anzunehmen, wenn die Menge des sogenannten Clara-Zell-Proteins im Blutserum abnimmt. Die besagten Studien zeigten, dass teilweise weniger Clara-Zell-Proteine vorhanden waren, wenn die untersuchten Babys vor dem zweiten Lebensjahr in Hallenbädern geschwommen waren. Zweifelsfrei nachweisen konnten Forscher die Asthmagefahr bisher aber nicht.

Warum also hat das UBA diese Warnung gerade jetzt veröffentlicht? "Wir haben vor Kurzem ein Symposium mit den Autoren dieser Studien veranstaltet. Danach war für uns klar, dass an dem Verdacht etwas dran ist - und dass die Ergebnisse auf Deutschland übertragbar sind", sagt UBA-Sprecher Martin Ittershagen. Anschließend habe das UBA die Luft in bundesweit 92 Hallenbädern untersucht.

Bei 90 Prozent der gemessenen Werte lag die Konzentration von Trichloramin unter 0,34 Milligramm/Kubikmeter Luft (mg/m³) und damit deutlich unter dem von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Richtwert von 0,5 mg/m³. Auch fast alle anderen Messwerte lagen noch unter 0,5 mg, ein Wert überschritt mit 18,8 mg die WHO-Empfehlung allerdings erheblich. Er stammte dem UBA zufolge aus einem Hallenbad, das vor 1990 gebaut wurde. Mittlerweile sei es saniert worden, die Messung sei davor erfolgt.

Ob Trichloramin tatsächlich das Lungenepithel im frühkindlichen Stadium schädigen kann und, wenn ja, ab welcher Konzentration, wolle das UBA nun durch Tests mit Lungenzellkulturen feststellen, sagt Ittershagen. Ergebnisse werden im Herbst erwartet.

Eltern müssen Nutzen und Risiko des Schwimmens abwägen

Vorerst spreche das Umweltbundesamt eine "Vorsorge-Empfehlung" aus: Wenn mindestens ein Eltern- oder Geschwisterteil des Babys unter Asthma, Heuschnupfen oder Neurodermitis leide, sollten die Eltern mit einem Arzt sprechen, ob ein Schwimmbadbesuch problematisch sei. Hintergrund: Kinder, die allergisch "vorbelastet" sind, haben theoretisch ein höheres Risiko, Asthma zu bekommen. Alle anderen - auch die unter Zweijährigen ohne Allergien in der Familie - könnten bedenkenlos in Hallenbädern schwimmen.

Der Hamburger Lungen- und Allergieexperte Prof. Frank Riedel, ärztlicher Direktor des Altonaer Kinderkrankenhauses, hält die Warnung des UBA für übertrieben. Er kenne die belgische Studie sowie eine weitere Untersuchung zur Asthma-Gefahr und teile zwar die Einschätzung, dass man dem Verdacht in weiteren Studien nachgehen müsse. Aber: "Die Datenlage ist zu dünn, um daraus Empfehlungen abzuleiten." Und: Vor Kurzem sei in der Online-Ausgabe des renommierten "American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine" eine Studie erschienen, die zeige, dass Schwimmen nicht zu einer Zunahme von Asthma führe, die Lungenfunktion aber sogar stärke.

Ein erheblicher Teil der Bevölkerung, darunter auch viele Kinder, leide unter Allergien. Sogenannte "Risikokinder" ohne neue Erkenntnisse vom Schwimmen abzuhalten, finde er falsch: "Damit würden wir viele Kinder und ihre Eltern völlig unnötig verunsichern", sagt Riedel. Seine Empfehlung: "Weiter wie bisher. Auch unter Zweijährige mit allergischer Vorbelastung sollten am Babyschwimmen teilnehmen können."

UBA-Präsident Jochen Flasbarth forderte indes von den Schwimmbadbetreibern, vorhandene Techniken zur Wasserreinigung konsequent zu nutzen: "Hallenbadbetreiber können die Belastung mit Trichloramin senken, indem sie genügend Frischwasser zuführen, ihre Bäder ausreichend belüften und nach anerkannten Regeln der Technik bauen und betreiben."

Öffentliche Bäder in Deutschland werden nach Angaben des UBA pro Jahr von bis zu 300 Millionen Menschen besucht. Eine Desinfektion mit Chlor sei unerlässlich, um Keime im Wasser abzutöten. Dass dadurch Produkte wie Trichloramin entstünden, müsse bisher noch "als kleineres Übel akzeptiert" werden.