Hamburg. Hände weg von Maus und Tastatur! Nur mit ihren Gedanken sollten die Versuchspersonen den Computer steuern. Das gelang ihnen während eines dreitägigen Trainings erstaunlich gut, wie Forscher der Universität Hamburg und der Tsinghua-Universität in Peking jetzt im "Journal of Neural Engineering" berichten. Brain Computer Interfaces (BCI) heißen die Systeme, die u. a. schwer gelähmten Patienten die Kommunikation mit der Außenwelt ermöglichen können. Meist werden dabei mithilfe von Elektroden am Kopf die Hirnströme gemessen und in Steuerungssignale für Computer umgesetzt. Viel mehr als einfache Ja-Nein-Entscheidungen, die den Cursor nach oben oder unten wandern lassen, sind bisher kaum möglich. Doch das reicht, um Menschen, die ihre Sprechmuskeln nicht mehr bewegen können, das Buchstabieren von Texten zu ermöglichen.

Das System, das die Forscher entwickelt haben, zeichnet sich dadurch aus, dass zu seiner Steuerung keine Augenbewegungen mehr nötig sind. Die Probanden schauten auf einen Bildschirm, auf dem sich zwei Punktwolken, eine blaue und eine rote, gegeneinander im Kreis drehten. Beide flimmerten mit unterschiedlichen Frequenzen: Die blauen Punkte blinkten zehnmal pro Sekunde, die roten zwölfmal. Dem Betrachter erschien das wie zwei übereinander liegende, transparente Oberflächen.

Die 18 Versuchspersonen, die jeweils zur Hälfte aus China und Deutschland stammten, sollten sich auf eine der Punktwolken konzentrieren, während ihre Hirnströme mit 17 Elektroden gemessen wurden. Nach jeweils sechs Sekunden zeigte ihnen ein roter oder blauer Punkt auf dem Monitor, ob der Computer ihre Gedanken richtig gedeutet hatte. Mithilfe dieses Feedbacks konnten die Studienteilnehmer ihre Konzentration verbessern. Zugleich lernte aber auch der Computer von Mal zu Mal, die Signale besser zu klassifizieren. Im Durchschnitt wurden über 70 Prozent der Signale richtig erkannt, bei zwei Probanden lag die Erkennungsrate über 90 Prozent. Die Forscher sehen das als Bestätigung ihres Ansatzes. Sie sehen für ihr System zudem Entwicklungsmöglichkeiten durch Hinzufügen weiterer Punktwolken mit anderen Farben, Drehgeschwindigkeiten und Blinkfrequenzen.

Seltsam ist nur, dass die chinesischen Probanden ihre Erkennungsraten während des dreitägigen Trainings verbesserten. Bei den Deutschen war kein Trainingseffekt zu erkennen. Auch waren die Ergebnisse der Versuche an der Tsinghua-Universität insgesamt besser als die im Uniklinikum Eppendorf. Die Forscher vermuten, dass die Gestaltung der Punktwolken für deutsche Teilnehmer nicht optimal war und wollen dieser Frage weiter nachgehen.

Gelähmte Patienten werden von der BCI-Technologie zunächst am meisten profitieren. Das System könnten aber auch Gesunde einsetzen, so Alexander Maye von der Medizinischen Fakultät der Uni Hamburg und einer der Studienleiter, etwa bei Computerspielen oder Spielzeugrobotern. "Tatsächlich könnte in den nächsten Jahren ein Boom solcher Heimanwendungen einsetzen."