Mit einer Kombination aus Schulmedizin, Naturheilkunde und anthroposophischer Medizin wollen Ärzte Patienten dabei helfen, mit ihrer Krankheit fertig zu werden und anstrengende Heilmethoden gut zu verkraften.

Ute Breiholdt leidet seit fünf Jahren an Brustkrebs. Immer wieder fanden sich neue Metastasen - in der Lunge, der Leber, in den Knochen. Deswegen war die heute 51-Jährige schon in vielen Kliniken. Doch im Asklepios Westklinikum in Rissen lernte sie eine ganz andere Art der Medizin kennen. Sie war Patientin auf der Station für integrative Medizin, die zum Jahreswechsel neu gestartet ist. Auf dieser Station, die früher rein anthroposophisch ausgerichtet war, werden jetzt Methoden der Schulmedizin, der anthroposophischen Medizin und Naturheilkunde miteinander kombiniert.

"Die integrative Medizin ist ein Brückenschlag zwischen kompetenter Schulmedizin an einem Akutkrankenhaus und komplementärer Medizin mit ganzheitlichen Therapieansätzen", sagt Dr. Jens Kramm, Oberarzt der Station. Diese Mischung kann nicht nur bei Bagatellerkrankungen eingesetzt werden, sondern auch bei schwereren internistischen Krankheiten, die eine stationäre Behandlung erforderlich machen. 50 Prozent der Patienten haben Krebserkrankungen, die anderen leiden unter weiteren akuten internistischen Erkrankungen wie Herzschwäche oder Schlaganfall. Diese Station mit 26 Betten ist die einzige dieser Art im Norden Deutschlands, vergleichbare Angebote gibt es sonst nur in Berlin und in Witten-Herdecke.

"Wir bieten die konventionelle Medizin an, mit der Herzkatheteruntersuchung, der Implantation von Herzschrittmachern und bildgebenden Verfahren wie Computer- und Magnetresonanztomografie", sagt Kramm. Aber die zum Teil schwerstkranken Patienten finden hier auch ein Team aus Ärzten, Krankenschwestern, Pflegern und Therapeuten, die je nach Berufsgruppe unterschiedliche Therapieverfahren anwenden. "Dadurch entstehen nicht nur eine Atmosphäre und ein Vertrauensverhältnis, die dem Patienten helfen, diese Schwelle ins Krankenhaus zu überwinden, sondern auch zusätzliche Behandlungsmöglichkeiten", sagt Kramm. Neben ihrer internistischen Ausbildung haben er und der leitende Oberarzt der Station, Dr. Michael Iskenius, eine Ausbildung in anthroposophischer Medizin sowie die Zusatzbezeichnungen Homöopathie und Palliativmedizin. Sie setzen konventionelle und naturheilkundliche Mittel ein.

Berufsübergreifend wird mit den Patienten ein Therapieziel für den Klinikaufenthalt festgelegt. Um ihre Lebenskraft zu stärken und ihr Befinden zu verbessern, machen die Schwestern Anwendungen, etwa spezielle Massagen.

In der Kunsttherapie wird auf jeden Patienten und seine Erkrankung eingegangen. Weitere Therapien sind Gesangstherapie, Malen, Plastisches Gestalten, Heileurythmie, Massage sowie die Sprachtherapie, bei der die Patienten durch rhythmisches Sprechen wieder mehr Gefühl für ihren Körper bekommen.

"Ich habe mich hier sehr wohl gefühlt, weil hier der Mensch im Mittelpunkt steht. Besonders geholfen haben mir die Heileurythmie, die Rhythmische Massage und die Sprachtherapie", sagt Ute Breiholdt. Für die Informationstechnikerin waren das völlig neue Erfahrungen, war ihr Denken doch vorher vor allem naturwissenschaftlich geprägt. Doch die liebevolle und fürsorgliche Behandlung haben sie stark beeindruckt.

Zum Patienten eine vertrauensvolle Beziehung herzustellen, ist das A und O auf der Station. "Es gibt von unserer Seite eine große Gesprächsbereitschaft. Sie dient dazu, die Individualität des Patienten möglichst gut zu erfassen und eine Therapie zu finden, die auf diese Biografie zugeschnitten ist. Der Mensch, der sich verstanden fühlt, schöpft daraus wieder Kraft, auch wenn sich an seiner Krankheit zunächst nichts ändert. Das ist das Entscheidende", sagt Iskenius.

Besonders für Tumorpatienten ist das wichtig, haben sie doch oft eine lange und anstrengende Behandlung vor sich. "Sie gehen über diese Schwelle, weil sie wissen, dass sie keine andere Wahl haben. Aber danach haben sie den Eindruck, sie haben das Ruder ihres Lebens verloren. Uns kommt es darauf an, mit unserer Therapie ihren Gesundungswillen, ihren inneren Kampfgeist zu mobilisieren, den sie brauchen, um diese anstrengende Zeit und die Nebenwirkungen durchzuhalten. Für manchen Patienten war es durch unsere Therapie erst möglich, sich zu einer notwendigen Chemotherapie zu entschließen", sagt Kramm.

Doch für ihre Behandlung haben die Ärzte relativ wenig Zeit, denn wie lange ein Patient in der Klinik bleiben darf, richtet sich nach den Fallpauschalen der jeweiligen Grunderkrankung. "Unser Anspruch ist trotzdem, auch bei kurzen Liegezeiten von durchschnittlich acht bis neun Tagen eine menschliche Medizin zu betreiben. Wir wollen dem Patienten wieder eine Zukunft eröffnen, die er oft selbst nicht mehr sieht", sagt Iskenius.

Zudem geht es den beiden Ärzten und ihren Mitarbeitern darum, schulmedizinische Behandlung durch Einsatz von komplementär-medizinischen Heilmethoden zu ergänzen. Kramm nennt ein Beispiel: "Wenn jemand mit schwersten chronischen Rückenschmerzen zu uns kommt, suchen wir zunächst nach der Ursache und schaffen ein Vertrauensverhältnis zu dem Patienten. Dann probieren wir aus, ob es neben Medikamenten noch andere Möglichkeiten gibt, den Schmerz zu lindern. Wenn sich bei der Eurythmie herausstellt, dass er unter starken Verspannungen leidet, bekommt er von den Schwestern einmal pro Tag eine Einreibung mit einem Öl und zweimal in der Woche von einem Therapeuten eine Rhythmische Massage. Plötzlich kann der Patient das eine oder andere Schmerzmittel weglassen, seine Bewegungen werden freier, seine inneren Ressourcen sind mobilisiert."

Auch Ute Breiholdt ist guter Dinge, obwohl sie sich erneut einer Chemotherapie unterziehen muss. "Dank der homöopathischen und anthroposophischen Medikamente habe ich keine gravierenden Nebenwirkungen und eine sehr hohe Lebensqualität."