Die wichtigsten Glaubensrichtungen und Verbände Norddeutschlands in aller Kürze vorgestellt

Der Islam ist im frühen siebten Jahrhundert in Arabien durch den Propheten Muhammad gegründet worden. Mit rund 1,6 Milliarden Anhängern ist er nach dem Christentum heute die zweitgrößte Weltreligion. Der Koran dient als wichtigste textliche Grundlage, die als das dem Propheten Muhammad offenbarte Wort Gottes gilt. Wichtig sind zudem die Berichte (Hadithe), die die „Lebenspraxis“ des Propheten Muhammad bezeichnen.

Hier stellen wir die wichtigsten Glaubensrichtungen der Religion und ihre Verbände in Norddeutschland vor.

Sunniten

Die Bezeichnung „Sunniten“ geht auf den Begriff Sunna zurück, was „Brauch“, „Sitte“ bedeutet. Sunniten wird jene Gemeinschaft der Muslime genannt, die bei der Frage nach dem rechtmäßigen Kalifen (religiöser und politischer Führer der islamischen Gemeinde) nach dem Tode des Propheten dessen Freund und Schwiegervater Abu Bakr als ersten, Umar als zweiten, Uthman als dritten und Ali als vierten Kalifen akzeptieren. Dadurch unterscheiden sie sich von den Schiiten, die Ali als ersten Kalifen und Imam (religiösen Führer) favorisieren. Aus dieser unterschiedlichen Auffassung zur Kalifatsfrage haben sich auch in der Theologie beider Gemeinschaften gewisse Unterschiede herausgebildet.

Die Sunniten, die knapp 85 Prozent aller Muslime ausmachen, folgen vier sich gegenseitig anerkennenden Rechtsschulen.

Schiiten

„Schia“ ist die Bezeichnung für die Anhänger Alis (gest. 661) und bedeutet „Anhängerschaft“. Als nach dem Tode des Propheten Muhammad (gest. 632) die Gemeinschaft der Muslime vor der Entscheidung stand, einen Kalifen zu wählen, hatten sich einige Gefährten des Propheten für Ali ausgesprochen, der ein Neffe und Schwiegersohn des Propheten war. Die erste Spaltung der Gemeinschaft der Muslime war durch die Kalifatsfrage zustande gekommen. Ali wurde erst 556 zum vierten Kalifen der islamischen Geschichte. Als er aufgrund eines Bürgerkrieges von seinem Kalifat zurücktrat, wurde er von einer Gruppe seiner ehemaligen Anhänger ermordet. Die Schiiten verehren Ali als ihren ersten Imam, sodass sich im Laufe der Jahre eine eigene Theologie herausgebildet hat, in der die Imame als Nachkommen Fatimas, der Tochter des Propheten, eine zentrale Rolle übernahmen, bis hin zu der Annahme, dass sie unfehlbar seien.

Die Schia lässt sich heute unterteilen vor allem in Zaiditen (nach dem 4. Imam Zaid ibn Ali), Ismailiten (nach Ismail) und Imamiten (nach dem 6. Imam Djafar as-Sadiq), auch „Zwölfer-Schia“ oder „Djafariya“ genannt. Die Schia ist vor allem verbreitet im Iran und Irak und teilweise auch in Pakistan, Afghanistan, Libanon, Jemen und Syrien.

Aleviten

Die Alawiten (in Syrien) und die Aleviten (in der Türkei) sind eine Untergruppe der Zwölfer-Schia. Das Alevitentum greift zudem Traditionen des Volksislams, des Schamanismus, des Schiitentums und des Sufismus auf. Auch in Hamburg gibt es eine alevitische Gemeinde. Sie beten nicht in einer Moschee, sondern treffen sich zur Cem in einem Gebetshaus. Geleitet wird das Treffen von einem Dede (Großvater), der dem Imam in einer Moschee gleichzusetzen ist.

Muslimische Verbände im Norden

Schura

Schura e.V. (auch „Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg“) ist ein im Juli 1999 erfolgter Zusammenschluss islamischer Gemeinden in Hamburg. Der Rat besteht aus 54 sunnitischen und schiitischen Mitgliedsvereinen aus der Türkei, Afghanistan, Pakistan, Bosnien, Albanien, Iran, Irak, Marokko und Zentralafrika, welche die Vielfalt des islamischen Lebens in Hamburg widerspiegeln. Mitglieder sind auch Institute, Akademien, Jugend-, Studenten- und Frauenvereine. Infos: www.schura-hamburg.de

Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland

Das Bündnis der Islamischen Gemeinden (BIG) in Norddeutschland e.V. ist ein Zusammenschluss von 17 Moschee-Vereinen in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Mittelpunkt des BIG ist die seit 1973 bestehende Centrum Moschee in Hamburg St. Georg mit elf Moscheen in Hamburg. Das BIG gehört der sunnitisch-hanafitischen Ausrichtung des Islams an. Informationen: www.big-ev.org

Türkisch-islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB)

Der DITIB Landesverband Hamburg e.V. wurde im Februar 2009 mit zehn Moschee-Vereinen gegründet und hat sich mit dem Landesverband Schleswig-Holstein zum Dachverband DITIB Nord zusammengeschlossen. Die DITIB arbeitet eng mit dem Präsidium für Religionsangelegenheiten (Diyanet) in der Türkei zusammen, bekommt seine Imame für jeweils drei Jahre aus der Türkei und gehört dem sunnitischen Islam an. Infos: www.ditib-nord.de

Verband Islamischer Kulturzentren

Der Verband Islamischer Kulturzentren (VIKZ) wurde 1973 gegründet und hat sieben Moscheen in Hamburg. Der VIKZ gehört der sunnitisch-hanafitischen Ausrichtung des Islams an. Die mystische Ausrichtung des Verbandes ist geprägt durch die Elemente der Sufigemeinschaft der Naqschibandiyya. Info: www.vikz.de

Weitere Verbände: Islamische Hochschulgemeinde, Islamischer Jugendbund und Muslimische Frauengemeinschaft in Norddeutschland

Der Autor ist Islamwissenschaftler und Direktor des Islamischen Wissenschafts- und Bildungsinstituts e.V. in Hamburg.