Mit der französischen Mega-Yacht „Le Soléal“ unterwegs zu den Küsten des Lichts – die etwas andere Ägäis-Kreuzfahrt
Wie sieht ein Bilderbuch-Franzose aus? Und wie ein Kapitän? Stellen sich Landratten so den Seemann mit weltweiter Erfahrung auf Frachtern aller Art vor? Ein Klischee-Franzose ist dieser Kapitän wohl nicht. Auch nicht der Typ alter Haudegen mit Vollbart und tätowierten Oberarmen. Aber Rémi Genevaz, Chef auf der Brücke des kleinen, feinen Kreuzfahrtschiffes „Le Soléal", ist Franzose durch und durch. Und ein Seemann eben auch, nur eben nicht einer aus dem verstaubten Bilderbuch.
Monsieur Le Capitaine, ein kleiner, verschmitzter Südfranzose aus Nizza, kennt die Antarktis, die Südsee, alle Weltmeere. Hat er irgendwo einen Lieblingsort? „Mais oui ... zwei sogar: meinen Garten und mein Segelboot“. So ein Mann passt zu diesem Schiff, zu allen Ponant-Schiffen im Mega-Yachtstil. Mit viel Flair, sympathisch-sportiver Eleganz und einer Küche zum Niederknien drängt die noch junge Reederei nun auch auf den deutschen Kreuzfahrtmarkt.
Einschiffung in Piräus. Der Tag in Athen war heiß, aber jetzt, am frühen Abend, schmeckt die Luft des Südens wie Champagner. Und der wird nun auch rund um den Pool und ein Deck höher serviert; passend zur Blauen Stunde singt Jaques Brel dezente Chansons vom Band, aus dem Hafen wehen Sirtaki-Klänge herüber. Der Kapitän begrüßt die Passagiere charmant und humorvoll, danach stellt er seine Offiziere vor und die Verantwortlichen für Küche, Restaurant, Kabine, Unterhaltung, Ausflüge – immer erst auf Französisch, dann auf Englisch.
Die Stimmung ist heiter, man flaniert mit dem Glas in der Hand, tauscht lächelnd wie auf einer Vernissage in Paris einige banalités aus. Mehrheitlich reisen Franzosen mit, aber auch Australier, Kanadier, Schweizer, ein Dutzend Deutsche. Multi-Kulti in der noblen Variante, leger mit Stil. International auch die Stewards und die Künstler-Truppe: Tänzer aus ganz Europa, Musiker aus Kuba, der Entertainer ein polyglotter Belgier.
Die „Soléal“ ist, wie ihre Schwestern „Le Boréal“, „L`Austral“ und die neue „Lyrial“, die demnächst die Flotte ergänzt, ein schnittiges, schönes Schiff, die Reederei nennt es Mega-Yacht. Auf sechs Decks verteilen sich Bars und Bibliothek, Hamam und Spa, Friseur, Boutique und ein Spielzimmer. Man findet sich schnell zurecht, nichts ist überdimensioniert. Nur die Trikolore, die französische Flagge, weht so fett am Heck, dass sie bei entsprechender Brise und Sonnenstand sogar Schatten auf die Liegestühle wirft.
Vieles mag typisch französisch sein auf der „Soléal“, das Frühstück in Poolnähe jedenfalls gehört nicht dazu: Üppig, gesund, sogar exotisch, spiegelt es die Einflüsse der Herkunftsländer vieler Besatzungsmitglieder und die kulinarischen Gewohnheiten vieler Passagiere wider. Aber Baguette und Croissants gibt es natürlich auch. Was aber mittags auf den Grill am Pool oder abends im Salon auf den fein gedeckten Tisch kommt, übertrifft die meisten Erwartungen und stellt wohl sogar alle Franzosen zufrieden.
Stil, Atmosphäre und Umgangston sind von französischer Lebenskunst geprägt. Die gefällt vor allem frankophilen deutschen Kreuzfahrern, einer Klientel, wie man sie früher oft im Club Méditerranée antraf. Aber für den Durchbruch auf dem deutschen Markt wird Ponant wohl trotzdem irgendwann die Speisekarten auf Deutsch übersetzen und Ausflüge mit deutschsprachiger Begleitung anbieten müssen.
Mit einer Modenschau am Mini-Pool konnte man wohl rechnen auf einem französischen Dampfer, mit einem Abba-Musical im Bordtheater schon weniger. Money, Money, Money, Take a Chance on me, Fernando. Alles auf Französisch – Mamma Mia, das ist mal ein ungewöhnliches Spektakel. Picasso am nächsten Abend, eine farbenfrohe Show im Cabaret-Stil, sorgt dann wieder für Pariser Flair und ebenfalls beste Stimmung.
Wer sagt denn, dass Franzosen keine andere Sprache als ihre eigene beherrschen? Clemence Mignot aus Aix-en-Provence arbeitet an der Rezeption. Als sie hört, woher wir kommen, ist sie begeistert: „Ah oui, bien sûr, ich liebe Hamburg, was für eine wunderbare Stadt!“, sagt sie in jenem Deutsch, das wir an Franzosen so schätzen. Ein halbes Jahr hat sie 2011 im Novotel an der Lübecker Straße gearbeitet, seither schwärmt die junge Französin von Marseilles Partnerstadt an der Elbe. Und, Überraschung, wie charmant die Hamburger doch seien.
Anker lichten vor Kas, dem kleinen türkischen Hafen, der allen gut gefallen hat. Die Minarette ragen aus der Dorfkulisse in den roten Abendhimmel, noch einmal ruft der Muezzin zum Gebet. Morgen, in der Altstadt von Rhodos, werden wieder Kirchenglocken läuten. Unsere neuen Freunde vom Nachbartisch, Bretonen, die zum ersten Mal auf Kreuzfahrt sind, haben sich zum Ausflug nach Lindos angemeldet. Aber am nächsten Vormittag stellt sich heraus, dass außer ihnen nur eine Handvoll deutscher Passagiere den Athena-Tempel in der Mittagsglut sehen wollten. Zu wenig für den Abstecher per Bus. Schon in Antalya und Fethiye waren die meisten Gäste lieber an den Strand als zu den Ruinen gefahren.
Man wird also nachher die Bretonen und andere Soléal-Reisende beim Bummel über die Sokrates-Straße treffen, wo Souvlaki und Souvenirs besonders teuer sind, und später noch einmal in einer Traditionstaverne, wo angeblich schon Onassis die Calamares gelobt hat. Anderntags, auf dem Seeweg nach Patmos, hören wir, was sie danach entdeckt haben: die Relikte des uralten jüdischen Viertels, ein Lokal auf dem Dach eines Stadtpalastes aus der Johanniter-Zeit, Hinterhöfe voller Geheimnisse.
„Es sind eben viele Gäste an Bord, die lieber flanieren gehen als einem Guide zu folgen, Individualisten eben“, sagt am Abend Frédéric Jansen. Er ist zwar von Haus aus Belgier, aber eigentlich Weltbürger. Seinen Titel Kreuzfahrt-Direktor legt er weitherzig aus, mit seiner ewig guten Laune steckt er alle an. Je nach Gegenüber fällt er automatisch vom Englischen ins Spanische, vom Italienischen ins Deutsche. Sechs Sprachen hat er drauf, akzentfrei.
Das Schiff dümpelt vor der türkischen Küste, die meisten Passagiere sind mit Tenderbooten an Land gefahren. Wer an Bord geblieben ist, erlebt eine Baignarde. So heißt das spontane Badevergnügen direkt vom Schiff aus: Hinterm Heck sind Leinen im Wasser gespannt, die eine Art Bassin markieren. Schwimmen im Meer, wie erfrischend. Frédéric, der kreative Sprachkünstler, freut sich, dass wieder mal eine Idee von ihm gut angekommen ist.
Tag sieben, 100 Seemeilen hinter Patmos, Kurs auf Piräus. Das Meer leuchtet am Nachmittag tiefblau, der Himmel ist immer noch wolkenlos. Ein letzter Besuch bei Rémi Genevaz auf der Brücke, Besucher sind dort jederzeit willkommen, dann heißt es Umziehen für die Abschiedsgala. Der Dresscode an diesem Abend – „Kommen Sie so elegant wie Sie mögen“ – stiftet auf einem Ponant-Schiff keinerlei Verwirrung. Im festlich geschmückten Salon lassen Küchenchef Philippe Tremel und seine Equipe sowie Sommelier Hupert-Marie großes französisches Kino laufen. Für morgen stehen auf dem Tagesprogramm nur „Akropolis Adieu“.