So eine Ausgrabung im Winter ist kein reines Vergnügen. Klamm ist die Luft an der durch eine Zeltplane geschützten offenen Ecke Hopfenmarkt/Hahntrapp. Ein Neubau soll hier entstehen, doch bis es so weit ist, nutzen Archäologen die Gelegenheit für eine zwölfmonatige Grabung, die Interessierte auch bei über das Archäologische Museum Hamburg buchbaren Führungen in Augenschein nehmen können. Archäologe Kay-Peter Suchowa ist in seinem Element. Er würde den Job gegen keinen warmen Bürosessel tauschen wollen. „Ich finde das so schön an dem Beruf, dass er so sinnlich ist und man alles anfassen, riechen, genau angucken muss“, so Suchowa. „Ich brauche das Gefühl von Wind, Erde und Draußensein.“

Techniker, studentische Hilfskräfte und zehn Grabungshelfer graben mit Gartenkrallen und Schaufeln in mehreren offenen Bodenkammern. An einem Pult hängen mit Zahlen markierte Plastikschilder. Groß steht dort geschrieben „Ordnung“, „Struktur“, „Disziplin“. Ohne das, so Suchowa, gehe es nicht. Jede Entdeckung, ob eine Holzprobe oder Erdschicht, muss sogleich mit einer Nummer versehen, fotografiert, gezeichnet und betextet werden. Einige Bodenfunde werden später einmal im Archäologischen Museum Hamburg zu sehen sein.

Suchowa hat eine These, für die er hier, in einem einzigartigen Bodendenkmalensemble, Belege sucht und findet. Denn hier begann vor rund 1000 Jahren die Entwicklung Hamburgs von der Burg zur Stadt. Auf den 360 Quadratmetern ruhen die Reste einer Ringwallbefestigung, der sogenannten „Neuen Burg“, sowie der nach schriftlichen Überlieferungen durch Herzog Ordulf 1061 errichteten, 1195 zum ersten Mal erwähnten, um 1188 gegründeten und 1842 abgebrannten Nikolaikirche. Auskunft darüber geben sollen Holzuntersuchungen mit Verfahren der sogenannten Dendrochronologie, die eine genaue Datierung auf das Jahr des Fällens ermöglichen. Manche Archäologen glauben, dass die Neue Burg der Hammaburg entspricht. Nach Adam von Bremen wurde die Neue Burg nach 1061, also in der Regierungszeit von Herzog Ordulf, errichtet. Die Dendrodaten ergeben, dass die Burg in der Regierungszeit seines Vaters, Herzogs Bernhard II., errichtet wurde und damit älter ist als bisher angenommen. Vermutlich, so Suchowa, entspreche die Alsterburg der Neuen Burg, die wiederum an die Aufgabe der Hammaburg anschließt.

Weißer Beton mit Eisenstreben offenbart Reste einer Bebauung von 1962. Daneben sind Backsteine von Wohn- und Geschäftshäusern aus dem 19. Jahrhundert zu sehen mit in Schichtenwasser stehenden Pfählen. In den Kammern finden sich Reste vom Kirchenfundament, schwere Balken und Rundhölzer.

Suchowa nimmt Form, Beschaffenheit und Lage der Balken genau in Augenschein. Einen ganzen Kasten aus historischen Bauhölzern haben sich Hamburger Kaufleute gesichert. Stolz blickt Suchowa in eine Kammer: „Hier ist 1188 der bürgerliche Kaufmannsgeist in Hamburg entstanden.“ Das Gedächtnis des Bodens, es ist ein unendlich wertvoller Schatz. Da gibt es noch einiges zu heben.

Führung Ausgrabung Hopfenmarkt, Juni 2015, jeden Do 14 - 15, Ecke Hopfenmarkt/Hahntrapp, Archäologisches Museum Hamburg, Harburger Rathausplatz 2, www.amh.de