In der Großpraxis, in der Dr. Dagmar Liebler arbeitet, gibt es High-Tech-Geräte vom Feinsten. Hochauflösende Ultraschallgeräte, die jeden Zentimeter des Fötus im Bauch erfassen. Die Frauen, die die Gynäkologin bei ihrer Arbeitsstelle in einem feinen Hamburger Stadtteil betreut, erhalten die volle Diagnostik während ihrer Schwangerschaft, darauf ist die Praxis spezialisiert. „Es ist ein Stück weit Luxusmedizin, die wir da betreiben. Denn einige Untersuchungen werden von der Krankenkasse nicht bezahlt, aber den Frauen sind sie dennoch wichtig“, sagt Dagmar Liebler.

Einmal im Monat arbeitet sie an ihrem freien Tag bei AnDOCken, der Ärztlichen und Sozialen Praxis für Menschen ohne Papiere. In der Einrichtung der Diakonie Hamburg werden Frauen kostenfrei behandelt. Sie kommen mit Infektionen im Genitalbereich oder Eierstockentzündungen und natürlich sitzen auch viele Schwangere im einfach möblierten Wartebereich. „Die Frauen kommen jedoch meistens erst, wenn die Schwangerschaft schon sehr weit fortgeschritten ist“, sagt Liebler. Statt großer Diagnostik gehe es bei ihnen oft nur darum, den Geburtstermin und das Geschlecht zu bestimmen.

„Meine reguläre Arbeit ist sehr herausfordernd und macht mir großen Spaß, aber die Arbeit bei AnDOCken erdet mich immer wieder“, sagt Dagmar Liebler. Ihr Chef findet ihr soziales Engagement gut. Doch der Kontrast ist groß. Laboruntersuchungen, Blutdruckmessen, Kostenübernahmen klären, auch das gehört zu ihrer Aufgabe bei AnDOCken – in der anderen Praxis machen das die Helferinnen. In die soziale Praxis in Altona kommen überwiegend illegal in Hamburg lebende Afrikanerinnen, Osteuropäerinnen und Südamerikanerinnen. Diese Patientinnen seien herzlich, nicht anspruchsvoll und vor allem sehr dankbar. „Die bringen uns sogar kleine Geschenke mit“, sagt die Ärztin, die mit ihrer Arbeit der festangestellten Gynäkologin Teresa Steinmüller hilft.

Nach dem Abitur wäre Dagmar Liebler am liebsten in die Entwicklungshilfe gegangen. Sie hat eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht und dann erst Medizin studiert. Mit ihrem Mann hat sie in Madrid und Mailand gewohnt. Die 44 Jahre alte Katholikin liebt Sprachen und andere Kulturen. Deswegen habe sie sich auch sofort auf die Anzeige im Ärzteblatt beworben, als eine ehrenamtlich tätige Ärztin für AnDOCken gesucht wurde. „Das ist für mich ein guter Ersatz zum unerfüllten Traum des Entwicklungsdienstes“, sagt Dagmar Liebler. Denn mit drei Kindern zwischen sechs und 13 Jahren sei der nicht mehr zu verwirklichen.

Schon für den einen Tag Dienst im Monat für AnDOCken muss sie gut organisieren – ihr Mann arbeitet unter der Woche in Frankfurt. „Aber ich opfere gern meinen freien Tag. Diese Arbeit finde ich sehr erfüllend. Denn denen zu helfen, die wirklich krank sind, ist doch der Grundgedanke der Medizin“, sagt sie. Dieser Gedanke gehe in der heutigen Luxusmedizin manchmal leider unter.