Schulabgänger mit unterdurchschnittlichem Zeugnis sollten offensiv damit umgehen – Persönlichkeit und Stärken zählen

Der Ärger fing in der Mittelstufe an. Da hatte Steffen Esders andere Interessen: „Mädels, Freunde, Ausgehen. Ich hatte eine gute Schulzeit“, sagt der heute 28-Jährige. Auch als der Gymnasiast sein Abitur mit einem Notenschnitt von „nur“ 3,2 erhielt, war er ohne Groll.

Durch eine Referendarin, die aus der Werbung in den Schuldienst gewechselt hatte und mit ihren Schülern psychologische Komponenten anhand von Beispielanzeigen analysierte, entstand der Wunsch, im Marketing zu arbeiten. Er machte ein Praktikum in einer Agentur und lernte, seine Bewerbung zu layouten. Statt Standard unter dem Betreff „Bewerbung zum Kaufmann für Marketingkommunikation“ lasen die Personaler der Agenturgruppe Scholz & Friends ein pfiffiges Anschreiben bestehend aus Bullet Points „Sie suchen... Ich biete…“ „Das war die halbe Miete“, sagt Esders.

Das Vorstellungsgespräch lief gut – er bekam den Ausbildungsplatz bei dem Online-Ableger Scholz & Friends Interaktive, heute Deepblue. Zweieinhalb Jahre später erhielt der Marketingkaufmann seinen Gesellenbrief – mit der Note 1,2. Mittlerweile ist Steffen Esders hauptverantwortlicher Account Manager und gehört zum Führungskräftenachwuchs.

„Ein Abitur ermöglicht alles, aber es garantiert nichts“, sagt Abteilungsleiter Fin Mohaupt von der Abteilung Aus- und Weiterbildung der Handelskammer Hamburg. Einfach, weil die Noten noch nichts über den Menschen aussagen und der persönliche Eindruck durch nichts zu ersetzen sei. Schulabgängern mit unterdurchschnittlichen Noten rät Mohaupt zu einem offensiven Umgang mit dem Thema. Der Bewerber sollte seine Fähigkeiten und Stärken herausarbeiten und gegen die Noten als vorherrschendes Auswahlkriterium stellen. Viele Unternehmen haben die Aussagekraft von Noten längst relativiert.

Man wächst an den Aufgaben, weiß auch Ina Wagner von Deepblue. „Wir erwarten viel Herzblut und Engagement von unseren Mitarbeitern. Das kann man nicht aus den Noten herauslesen.“ Und solange gute Zeugnisse noch keine guten Mitarbeiter machen und umgekehrt, bleibt der Karriereweg für alle offen. Bis ganz nach oben, wie Ina Wagner verrät: „Unser Agenturgründer hatte auch kein gutes Abitur. Heute ist er Finanzvorstand und sehr erfolgreich.“