Wenn Kinder aggressiv werden, sind sie oftmals schwer zu beruhigen. Tipps, wie Eltern einen kühlen Kopf bewahren

Kinder, die aus Wut schreien und toben, strapazieren zuweilen heftig das Nervenkostüm ihrer Eltern. Was Mütter und Väter tun können, um mit ihrem Nachwuchs von der Trotzphase bis zur Pubertät gut durch den Alltag zu kommen, erklärt Marieke Wetzel, Diplom-Sozialpädagogin von der Erziehungsberatung des Caritasverbandes Hamburg.

1. Was steckt hinter den häufigen Wutanfällen von Kleinkindern?

Mit etwa zwei Jahren beginnt die sogenannte Trotzphase, die mit heftigen Wutanfällen einhergeht. Das Kind entdeckt seinen eigenen Willen. Es versucht, sich von der Abhängigkeit zu seinen Eltern, die beständig alles regeln und bestimmen, abzukoppeln. Und es probiert aus, wie weit es sich durchsetzen kann. Klar, dass es hier Grenzen geben muss, etwa weil es Zeit ist, ins Bett zu gehen. Doch wenn das Kind Möglichkeiten bekommt, auch selber etwas zu bestimmen, erlebt es seine Selbstwirksamkeit. Das ist ein sehr wichtiger Entwicklungsschritt.

2. Wie können Eltern am besten auf Aggressionen reagieren?

Generell sollten sich die Eltern bewusst machen, dass Aggressionen zur Entwicklung ihres Kindes gehören und dass sie sich nicht grundsätzlich gegen ihre Person richten. Das hilft, auf Wutausbrüche mit mehr Gelassenheit zu reagieren. In der entsprechenden Situation sollten Eltern Präsenz zeigen, indem sie sich etwa hinunterbeugen und auf Augenhöhe in wenigen klaren Worten mit dem Kind sprechen. Kinder brauchen aber nicht nur konsequentes Verhalten, sondern oft auch die Unterstützung der Eltern, um aus ihrer Wut wieder hinauszufinden. Etwa mit einem Lösungsvorschlag wie: Wir können jetzt nicht machen, was du möchtest, aber du darfst heute Nachmittag entscheiden. Auf Vorwürfe sollten Eltern verzichten, sie werten die ganze Person des Kindes ab. Es ist aber möglich, den Wutanfall zu personifizieren, etwa als das Böckchen, das man gemeinsam vertreiben kann.

3. Was kann man tun, wenn ein Kind wie aus dem Nichts wütend wird?

Hinter der kindlichen Wut und Aggressivität können Gefühle wie Angst, Frust, Hilflosigkeit oder Überforderung stecken. Deshalb ist es wichtig, das Kind mit seiner Frustration ernst zu nehmen, Verständnis zu zeigen, auch wenn nicht gleich klar ist, um was es gehen könnte. Manchmal gelingt es auch, das Kind mit etwas anderem von seiner Wut abzulenken.

4. Wie viel Aggressivität müssen Eltern aushalten?

Leider gibt es nicht für jede Situation einen Trick, und man muss akzeptieren, dass man auch mal nichts tun kann, außer abzuwarten und das aggressive Verhalten auszuhalten. Wenn ein Kind sich in Rage geschrien hat, nimmt man es, wenn möglich, aus dem Umfeld heraus. In so einem Fall hilft auch Reden nicht mehr. Man steigt aus dem Bus, wenn man unterwegs ist, oder lässt es in seinem Zimmer. Zu einem späteren Moment sollte man die Situation nachbesprechen. Grundsätzlich gilt, klare Regeln zu haben, an denen sich das Kind orientieren kann. Sie sollten auch von Eltern eingehalten werden, denn sie sind Vorbild für ihr Kind.

5. Sollte man Aggressionen auch mal ignorieren?

Grundsätzlich kann das hilfreich sein. Nicht aber bei Übergriffen und Beschimpfungen. Wenn es zu Schlägen gegen andere Personen kommt, sollten Eltern sofort reagieren und eindeutig sagen, stopp, das möchte ich nicht. In dieser Beziehung sollten sich die Eltern ganz klar verhalten, auch nicht selber schreien oder schlagen. Wenn sie Wut über das Verhalten des Kindes verspüren, sollten sie sich für einen Moment zurückziehen.

6. Wie behält man mit einem schreienden Kind in der Öffentlichkeit die Ruhe?

Die innere Vorstellung ist ja , ich versage als Mutter. Man sollte versuchen, sich davon zu lösen, ruhig durchzuatmen und sich zu sagen, der Trotz gehört zur Entwicklung dazu, das Kind probiert sich aus. Wenn das Kind besonders stark in der Trotzphase steckt, kann es sich lohnen, es nicht mit zum Einkaufen zu nehmen.

7. Was macht Jugendliche in der Pubertät so streitlustig?

In der Pubertät ist das Leben voller Herausforderungen, die nicht selten in Frustrationen enden. Für die Stimmungsschwankungen gibt es viele Gründe. Der eigene Körper verändert sich. Das lang idealisierte Bild der Eltern bröckelt, die Jugendlichen suchen nach ihrer eigenen Identität. Sie fragen sich, wer bin ich eigentlich, wie gut komme ich bei Freunden an. Sind sie schlecht gelaunt, können sich Eltern sagen, das hat nicht mit mir persönlich zu tun. Auch hier gilt, auf Beleidigungen klar sagen: ich möchte nicht, dass du so mit mir redest. Konsequent sein, aber nicht übermäßig emotional reagieren.

8. Wenn die Aggressionen Übermaß annehmen, was dann?

Wenn es zu Handgreiflichkeiten kommt oder zu massiven Beleidigungen muss man sich zusammensetzen und sagen, so können wir nicht miteinander leben, wir müssen einen Weg finden. Es ist auch immer sinnvoll, zu einer Erziehungsberatungsstelle zu gehen. Kinder können anstrengend sein, deshalb ist es keine Schwäche, sondern klug, sich rechtzeitig Rat zu holen.

Caritasverband für Hamburg e.V., Beratungsstelle St. Georg, Danziger Str. 66, Tel. 28014070, erziehungsberatung@caritas-hamburg.de