Propst Johann Hinrich Claussen über rauschhafte Zustände im alten Rom und zu Weihnachten heute

Ganz so anders als heute kann das Leben im alten Rom nicht gewesen sein, zumindest was den Dezember angeht. „Es ist Dezember, der Monat des Feierns, und wie sonst nie kommt die Stadt ins Schwitzen. Ein Freibrief zu allgemeiner Üppigkeit ist gegeben. Alles hallt wider von ungeheuren Verschwendungen", schrieb damals der Philosoph Seneca angesichts der Saturnalienfeiern (zu Ehren des Gottes Saturn). Er schlug damit einen Ton an, den ich sonst nur von uns weihnachtskonsumkritischen Pastoren kenne.

Senecas griesgrämige Schelte der vergnügungssüchtigen Massen wird so wirkungslos gewesen sein wie unsere alljährlichen Hinweise zum adventlichen Maßhalten. Es ist leider auch nicht wirklich sympathisch, wenn Geistesmenschen, die von höheren Idealen ausgehen, jene Leute abkanzeln, die ein bisschen Spaß suchen. Senecas Schüler, der Philosophenkaiser Marc Aurel, wollte seinen Untertanen einreden, dass sie sich doch bitte nicht immer so viel wünschen sollten: „Man soll nicht so viel an die noch nicht vorhandenen Dinge denken, sondern von den bereits vorhandenen die meistgebrauchten sich vor Augen stellen und sich vergegenwärtigen, wie sehnlich sie jetzt gewünscht würden, wenn sie nicht bereits vorhanden wären.“ Das dürfte zu kompliziert gedacht und formuliert sein, als dass es der Römer auf der Straße verstanden und befolgt hätte. Auch wirkt es leicht unanständig, wenn ausgerechnet ein Kaiser so etwas sagt.

Wie aber könnte man heute überzeugend dafür werben, es mit dem Geschenkeraffen, Geldverschleudern, dem übermäßigen Konsum von Glühwein, Süßigkeiten und Gänsebraten nicht zu übertreiben? Auch dafür gibt es ein antikes Vorbild. Wenn Sokrates über den Markt von Athen ging und die Mengen der ausgelegten Waren sah, sagte er sich im Stillen: „Wie viele Dinge gibt es doch, die ich nicht brauche!“ Es wird eine fröhliche Stille gewesen sein, eine innere Heiterkeit und Gelassenheit. Das ist eine Haltung, die man auch heutigen Weihnachtschristen wünschen kann. Denn sie hilft, sich von der Gier zu lösen und auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und in aller Fröhlichkeit die Ankunft des Gottes zu feiern, der sich selbst verschwendet hat, indem er als Armeleutekind auf die Erde kam.