Lisa Batiashvili und François Leleux zu Gast

Spätestens wenn die Solo-Oboe einsetzt, klingelt im Kopf des Hörers ein Erinnerungsglöckchen: Die charakteristische, knackige Achtelbewegung, die sogleich die Sologeige übernimmt, die kennen wir doch aus einem ganz anderen Zusammenhang? Genau. Der Franzose Thierry Escaich zitiert in seinem Konzert für Violine, Oboe und Orchester aus dem Geigen-Oboen-Doppelkonzert schlechthin, nämlich aus dem von Bach.

Ein schöneres Symbol als diese Verschränkung der beiden Solostimmen könnte man sich für das ungeschriebene Motto des Abends nicht wünschen. Anfang Dezember bringt das NDR Sinfonieorchester unter Alan Gilbert Escaichs Stück bei zwei Sinfoniekonzerten zur Uraufführung. Die Solopartien übernehmen die Geigerin Lisa Batiashvili, diese Saison Artist-in-Residence des Orchesters, und ihr Mann, der Oboist François Leleux.

Eingebettet ist das Stück in ein Programm, das vor Beziehungszauber nur so funkelt. Nicht nur verneigt sich Escaich mit dem Werk vor dem großen Bach, dem musikalischen Urvater aller Dinge, er hat es auch noch einem Ehepaar in die Finger geschrieben. Batiashvili und Leleux leben mit ihren zwei Kindern in München. Leleux ist nämlich nicht nur selbst international als Solist unterwegs, sondern nebenher auch noch Solooboist im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, spielt im Chamber Orchestra of Europe, hat eine Professur an der Münchner Musikhochschule inne und was dergleichen Spitzenjobs mehr sind.

Escaich nähert sich dem Bach-Konzert gewissermaßen von hinten. Der erste Einsatz der Solisten bezieht sich nämlich auf den Beginn des letzten Bach-Satzes, gleichsam parallel zu der zeitlichen Rückwärtsbewegung, die Escaich beschreibt.

Noch weiter in die Musikgeschichte begibt sich Thomas Adès in seinen „Three Studies from Couperin“ aus dem Jahre 2006, die das Programm eröffnen. Adès’ idealer Tag bestünde nach eigenem Bekunden darin, zu Hause zu bleiben und Couperins Cembalowerke zu spielen, weil er auf jeder Seite neue Inspiration erlebe. Wem das jetzt solipsistisch erscheint, der beachte die Werkbesetzung. Da halten nämlich gleich zwei Streichorchester vielköpfig Zwiesprache miteinander. Mit dabei sind außerdem ein handverlesenes Bläserensemble und Percussion. Wir sind schließlich, bei aller Traditionsverbundenheit, im 21. Jahrhundert.

Den Schlussstein bildet die „Symphonie fantastique“ von Hector Berlioz, der auch die Überschrift des Abends geschuldet ist: „La France fantastique“. Bei der Uraufführung in Paris 1830 war der Komponist zarte 26 Jahre alt. Die Musik verkörpert in ihrem ekstatischen Drängen nicht nur stilistisch die Epoche der Romantik, sie bildet auch das durch und durch romantische Gefühlsleben ihres Schöpfers ab. Berlioz hatte sich in die junge irische Schauspielerin Harriet Smithson verliebt und exerzierte in dem Stück sämtliche Höhen und Tiefen seiner Verfassung durch, von „Träumereien“, die umgehend in „Leidenschaften“ münden, bis hin zu einem wüsten Hexentanz.

In seiner nicht gerade reinrassigen Sinfonie huldigte Berlioz noch dem urromantischen Ideal der unerreichbaren Geliebten, im echten Leben dagegen wurde Smithson seine Frau – zum beiderseitigen Unglück. Aber das steht auf einem anderen Programmzettel.

La France fantastique 4.12., 20.00, und 7.12., 11.00, beide Laeiszhalle. Karten zu 11,- bis 51,- unter T. 44 19 21 92 oder www.ndrticketshop.de