Das Hagen Quartett beginnt seinen Zyklus bei den Elbphilharmonie Konzerten

Zwei kurze Motive formulieren vorsichtig und leise eine musikalische Frage. Darauf folgt, postwendend, eine etwas ausführlichere Antwort. Das ist erst mal noch nichts Besonderes. Aber die Pause dazwischen – die hat es in sich! Sie ist ein paar entscheidende Sekundenbruchteile zu lang und bringt den Zweiviertel-Takt schon völlig aus dem Tritt, bevor er überhaupt Fuß gefasst haben kann. Ver-rückt, im wahrsten Sinne des Wortes. Keine Chance, das Metrum zu erkennen. Das einzige, was zählt, ist die Geste. Und das soll Mozart sein? Unser Götterliebling, Inbegriff von Balance und Ebenmaß? Ein überraschender, ja geradezu verstörender Moment für jeden Hörer, der glaubt diese Musik zu kennen.

Der Beginn des Finales aus Mozarts Es-Dur-Quartett KV 428 ist ganz typisch für die Musizierhaltung des Hagen Quartetts, das in dieser Saison mit seinem vierteiligen „Mozart-Projekt“ zu den Elbphilharmonie Konzerten nach Hamburg kommt. Denn das Salzburger Weltklasse-Ensemble stand schon immer für eigenwillige, wagemutige Interpretationen, die im Dienste des Ausdrucks an Grenzen gehen. Bis heute sind die vier Streicher alles andere als milde oder gar bequem geworden, wie die Aufnahme zum 30-jährigen Bestehen aus dem Jahr 2011 belegt: Im Finale des besagten Es-Dur-Quartetts – das auch am ersten Abend des Mozart-Projekts auf dem Programm steht – treiben die Hagens den expressiven Einsatz der Pausen auf die Spitze; im langsamen Satz stechen sie dem Hörer die Akzente wie Dornen ins Ohr: Details einer Interpretation, bei der es um die emotionalen Abgründe der Musik geht.

Zu den ersten Förderern des Ensembles gehörte Gidon Kremer. Das ist kein Wunder. Schließlich steht auch er für eine Musizierhaltung ohne Netz und doppelten Boden. Im Gründungsjahr seines Lockenhauser Kammermusikfestivals, 1981, gewannen die damals noch blutjungen Streicher den dortigen Wettbewerb. Ihr Sieg war der Startschuss zu einer Weltkarriere.

Die Anfänge reichen bis in die 1970er-Jahre zurück, als die Hagens im musikalischen Elternhaus – der Vater war Solobratschist im Salzburger Mozarteum Orchester – ihre ersten gemeinsamen Schritte unternahmen. Dass 1987 der deutsche Geiger Rainer Schmidt dazustieß, sehen die Musiker heute als Meilenstein in ihrer Entwicklung, ebenso wie die Begegnung mit Persönlichkeiten wie György Kurtág oder Nikolaus Harnoncourt. So unterschiedlich diese Künstler sein mögen, sie treffen sich in der Demut gegenüber der Musik, im Ringen um den Ausdruck.

Die kompromisslose Suche nach der künstlerischen Wahrheit beseelt auch die Auseinandersetzung mit dem Schaffen von Mozart. Und so dürfen die Zuhörer auf den Hamburger Zyklus, eine Kooperation mit der Hamburgischen Vereinigung von Freunden der Kammermusik, gespannt sein. Routine gibt’s nicht bei den Hagens. Sie bleiben niemals stehen, sondern sind immer bereit, das Erreichte umzustoßen, um noch einmal von vorne zu beginnen. Das macht die vier Streicher auch im 33.Jahr ihres Bestehens zu einem der aufregendsten Kammermusikensembles der Gegenwart.

Das Mozart-Projekt I 29.11., 20.00, Laeiszhalle (Kleiner Saal). Tickets zu 11,- bis 45,- unter T. 35766666. Weitere Termine: 1. und 28.2.15, 24.4.15