Der Studiengang Multimediale Komposition feiert sein zehnjähriges Bestehen

Ein Schlägel fällt sanft auf das Paukenfell, doch statt des erwarteten Paukentones ertönt ein leises Plätschern. Wo eigentlich eine Oberfläche aus gespannter Tierhaut sein müsste, schimmert und kräuselt sich eine virtuelle Wasseroberfläche. Darunter sieht man eine Uhr. Der Schlagzeuger taucht den zweiten Schlägel in die digitale Illusion und schubst die Zeiger an. Die Uhr tickt schneller. Bei der Erstbegegnung mit Jacobs Sellos „Hexenkessel“ fühlt man sich als Konzertbesucher wie Alice im Wunderland. Mittels Laptop, LED-Projektor, Web-Cam und Infrarot-Laser verwandelte der Komponist eine normale Kesselpauke in ein futuristisches Musik- und Lichtinstrument, bei dem das Paukenfell als Touchscreen fungiert. Wer das Staunen noch nicht ganz verlernt hat, der erlebt hier reine Magie.

Doch was sich ausnimmt wie Zauberei, ist zuallererst solides Handwerk. Eine so intuitiv zu bedienende Mensch-Maschine-Schnittstelle wie Sellos „Hexenkessel“ ist das Ergebnis minutiöser Entwicklungsarbeit. Erlernt hat Jacob Sello sein Handwerk im Studiengang Multimediale Komposition an der Hochschule für Musik und Theater. Eingeführt wurde dieser Studiengang im Jahre 2004; das zehnte Jubiläum feiern Dozenten, Absolventen und Studenten nun mit einer Reihe von Konzerten.

Bereits in den 1970er-Jahren hatte der Übervater der Hamburger Komponistenszene, György Ligeti, einen solchen Studiengang eingefordert. Doch erst mit der Berufung von Georg Hajdu zum Professor für Komposition „mit Schwerpunkt multimediale Komposition“ 2002 nahm das Vorhaben dann konkrete Gestalt an. Hajdu richtete nach US-amerikanischem Vorbild einen straff durchgetakteten Master-Studiengang ein, in dem absolvierte Komponisten, Medienkünstler oder Musikwissenschaftler im Laufe von vier Semestern unter anderem den Umgang mit Programmiersprachen, Softwareumgebungen und digitaler Signalverarbeitung erlernen können.

Der Studiengang Multimediale Komposition ist klein, aber fein. Vier Studienplätze stehen derzeit für die Erkundung der künstlerischen Potenziale des Medienzeitalters zur Verfügung. Dabei können Absolventen es sogar zu hohen wissenschaftlichen Weihen bringen. Seit 2010 besteht die Möglichkeit zur Promotion zum Dr. scientiae musica. Die Verbindung von wissenschaftlichem und künstlerischem Geist verkörpert wohl niemand besser als der Leiter des Studienganges selbst. Hajdu studierte neben Komposition auch Molekularbiologie; seine Studenten konfrontiert er mit Themen der kognitiven Psychologie oder der Frage: Wie funktioniert Wahrnehmung? Zu den Lieblingsworten des Klang-Programmierers zählen „strukturieren“, „organisieren“ und vor allem „mapping“.

Als Wissenschafts- und Technik-Nerds möchte Georg Hajdu sich und seine Künstlerkollegen aber nicht abstempeln lassen: „Wir lesen immer noch Gedichte und interessieren uns für Ästhetik.“ Mit Musik, die nur noch aus riesigen Klangdatenbanken am Computer zusammengefügt wird, kann er wenig anfangen: „Nichts ersetzt die Intelligenz eines Musikers, der seit 20 Jahren mit seinem Instrument verwachsen ist.“ So seien es vor allem „hybride Systeme“ aus Mensch und Technik, die ihn und die Komponisten seines Studienganges interessierten.

Ein echter Spezialist für solche Mensch-Maschine-Systeme ist Alexander Schubert, dessen Werken man in den letzten Jahren im Hamburger Konzertleben und weit darüber hinaus immer öfter begegnet. Für seine „interaktiven Sensorstücke“ verkabelt Schubert Musiker mit Bewegungssensoren: Ein Schlag des Dirigenten koordiniert in seinem Werk „Point Ones“ so nicht nur das Ensemble, sondern löst auch elektronische Zuspielungen aus, und in dem wüsten Schlagzeug-Solo „Laplace Tiger“ steuert der Solist mit seinem Trommelfeuer zugleich die Videozuspielungen. So werden Bewegungen direkt in Klang und Bild übersetzt. Mit seinem Decoder Ensemble eröffnet Schubert im Januar die Reihe der Jubiläumskonzerte.

Decoder Ensemble 14.1.15, 20.00, Musikhochschule (Forum). Eintritt frei Bohlen-Pierce-Klarinetten 15.2.15, 20.00, Theater im Zimmer. Eintritt frei Duo Soie 20./21.2.15, jeweils 20.00, Theater im Zimmer. Eintritt frei