Boris Berezovsky spielt mit den Philharmonikern das erste Tschaikowsky-Konzert

Es ist über zehn Jahre her, dass der israelische Dirigent Pinchas Steinberg zuletzt in Hamburg gastierte – im Mai 2004 gab er ein höchst beeindruckendes Konzert mit dem Orchestre de la Suisse Romande, dem er damals als Chefdirigent vorstand. Doch seine Geschichte mit Hamburg und dem Norden Deutschlands reicht viel weiter zurück. bereits 1979 stieg Steinberg erstmals in den Graben der Hamburgischen Staatsoper, um eine Reihe von Aufführungen der „Fledermaus“ zu leiten. Damals war er noch Chefdirigent der Oper von Sydney – ein Job, den seine jetzige Gastgeberin Simone Young 2004 hinter sich ließ, ehe sie nach Hamburg kam.

Steinberg dirigierte danach wiederholt in der Staatsoper und beim NDR, in den 80er-Jahren war er Generalmusikdirektor in Bremen, wo er sich vehement (und erfolgreich) gegen Stellenkürzungen im Orchester einsetzte. Jetzt dirigiert der 1945 in Tel Aviv geborene Kapellmeister, der mit seiner Familie in London lebt, die Philharmoniker im 4. Abokonzert mit einem starken russischen Programm. Es verknüpft einen Gassenhauer der Konzertliteratur für Klavier mit einem brillanten Werk für Orchester: Tschaikowskys erstes Klavierkonzert b-Moll und die 5. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch.

Wer den als Solisten eingeladenen Pianisten Boris Berezovsky einmal hat spielen hören, wird ihn mit dem Tschaikowsky-Konzert fast unterfordert finden. Berezovsky ist ein grandioser Virtuose, den noch so hohe technische Hürden nicht einen Tropfen Schweiß kosten. Es wird von ihm die Behauptung kolportiert, er habe noch nie einen falschen Ton gespielt. Was so dreist anmutet, dass es fast wahr sein könnte.

Tatsächlich wirkt Berezovsky selbst am längsten Konzertflügel so hünenhaft, als habe er ein etwas klein geratenes Spielzeug vor sich. Er musiziert mit enorm körperreichem Ton und ungebremster Emotionalität, was selbstverständlich auch zarteste Farben mit einschließt. Rachmaninow, Liszt und Chopin gehören zu Berezovskys Spezialitäten, aber er setzt sich auch ausdauernd für weniger bekannte russische Klaviermusik ein, etwa von Medtner oder Balakirev. Tschaikowskys Evergreen darf in seinem Repertoire natürlich nicht fehlen.

Mit Schostakowitschs 5. Sinfonie erklingt ein subversiver Kommentar des Komponisten zum stalinistischen Terror, der von seinen dem Diktator zugetanen Zeitgenossen zum Glück nur an der vermeintlich affirmativen Oberfläche gelesen wurde. Dabei lässt sich ein schauerlicherer Marsch als der im Finalsatz kaum denken. „Was in der Fünften vorgeht“, schrieb Dmitri Schostakowitsch später, „sollte jedem klar sein. Der Jubel ist unter Drohungen erzwungen. So als schlage man uns mit einem Knüppel und verlange dazu: Jubeln sollt ihr! Jubeln sollt ihr! Und der geschlagene Mensch erhebt sich, kann sich kaum auf den Beinen halten. Geht, marschiert, murmelt vor sich hin: Jubeln sollen wir, jubeln sollen wir. Man muss schon ein kompletter Trottel sein, um das nicht zu hören.“

IV. Philharmonisches Konzert 14.12., 11.00, und 15.12., 20.00, Laeiszhalle. Karten zu 10,- bis 48,- unter T. 35 68 68