Kulturstaatsministerin Monika Grütters über die tief in die politische Kultur unserer Tage reichenden Auswirkungen der Reformation

Das Vermächtnis der Reformation reicht weit über die revolutionären Veränderungen hinaus, die die Forderung, jeder Mensch dürfe und müsse Zugang zum Wort Gottes haben, innerhalb der Kirche nach sich zog. Zu Recht gilt die Reformation als ein Wegbereiter der Aufklärung und der Demokratie, des mündigen Bürgers und der lebendigen Zivilgesellschaft.

Auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017 beleuchten Vertreterinnen und Vertreter aus Kirche und Politik, Kultur und Gesellschaft in der Lutherdekade die vielfältigen Veränderungen infolge der Reformation und ihr Wirken bis in die Gegenwart. Die Eröffnung des Themenjahres „Bild und Bibel“ im Rahmen der Lutherdekade führt die große Schar derjenigen, die an der Vorbereitung des Reformationsjubiläums 2017 mitwirken, nun in der Hansestadt Hamburg zusammen.

Die Verflechtungen und Auswirkungen der Reformation auf Kultur, Wissenschaft und Bildung, Recht und Politik, der Aufbruch zur Freiheit, zur Gleichheit vor Gott, diese, wie Bischof Wolfgang Huber es einmal sagte, „Triebkraft auf dem Weg zur Demokratie“, reichen tief hinein in die politische Kultur unserer Tage: Wie steht es um Toleranz, Eigenverantwortlichkeit und Gewissenentscheidung des Einzelnen heute? Wie steht es um den Zugang zur Bildung? Was bedeutet uns allen die gemeinsame Sprache in Zeiten der zunehmenden Globalisierung? Was können wir zu einem weiterhin religiös befriedeten Land beitragen? Wie können wir demokratische Errungenschaften wie Medienvielfalt und Meinungsfreiheit auch im Zeitalter der Digitalisierung sichern?

Dies alles sind wichtige Fragestellungen, die sich im Zusammenhang mit der Reformation und ihren Auswirkungen stellen, über die es sich lohnt, mit Partnern und Gästen aus dem In- und Ausland, aus unterschiedlichen Perspektiven also, zu diskutieren.

Aus diesem Grund beteiligt sich die Bundesregierung, unterstützt vom Deutschen Bundestag, mit großem Engagement an der Vorbereitung des Reformationsjubiläums 2017. Natürlich ist der Ursprung der Reformation religiöser Natur. Die Reformation hat Kirche und Theologie grundlegend geändert, zum Reformationsjubiläum wird die protestantische Familie aus aller Welt zusammenkommen, sich präsentieren und sich fragen, wie Kirche heute aussehen kann. Aber das Reformationsjubiläum ist eben weit mehr als ein protestantisches Kirchenfest, zu dem, wie ich als aktive und bewusste Katholikin dankbar anmerken darf, die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) die Katholische Kirche eingeladen hat. Beide wollen dies Ereignis im ökumenischen Geist begehen.

Es ist mir ein besonderes Anliegen, viele Bürgerinnen und Bürger – ungeachtet ihrer weltanschaulichen und religiösen Überzeugungen – zur Beteiligung an der Lutherdekade und dem Jubiläum zu bewegen. Bereits heute lässt sich absehen, dass das Reformationsjubiläum auch im Ausland auf hohes Interesse stößt. Bund, Länder, Kommunen und die Evangelische Kirche in Deutschland und auch die Katholiken arbeiten deshalb bei der Vorbereitung des Reformationsjubiläums 2017 mit unterschiedlichen Schwerpunkten partnerschaftlich zusammen.

Als Kulturstaatsministerin koordiniere ich die Aktivitäten des Bundes und kann aus meinem Etat jährlich fünf Millionen Euro für das Jubiläum zur Verfügung stellen. Dieses Geld fließt nicht nur in die Sanierung wichtiger Reformationsstätten, von denen nicht wenige zu Unesco-Welterbestätten zählen. Die Bundesregierung begleitet damit kulturpolitisch auch die Vorbereitungen auf das Reformationsjubiläum: vor allem durch die Förderung wichtiger Veranstaltungen und Projekte, wie zum Beispiel Ausstellungen, Konzerte, Symposien oder auch Initiativen der kulturellen Bildung. Ich freue mich sehr darüber, dass dieses Programm bundesweit auf breites Interesse stößt.

Derzeit befinden wir uns auf halber Strecke in der Lutherdekade. Bereits heute lässt sich absehen: Es wird keinen Platz geben für eine nationalistische, unkritische Überhöhung der Person Luthers – abgesehen davon, dass wir auch kein Luther-Fest, sondern ein Reformationsjubiläum begehen werden. Wir wollen uns auch von der nationalen Überheblichkeit der Reformationsfeiern vorangegangener Jahrhunderte deutlich absetzen. Zum Jahrestag 2017 wünsche ich mir, dass Deutschland sich vielen Menschen von überall her als eine weltoffene, religiös- und konfessionell tolerante Kulturnation präsentiert. Mit der Eröffnung des Themenjahres „Bild und Bibel“ in Hamburg rücken wir diesem Ziel wieder etwas näher.

Monika Grütters MdB ist Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien