Eine Ausstellung im Fembohaus zeichnet den Anbruch des medialen Zeitalters nach

Medien gibt es nicht erst, seit Strom durch ungefähr alles fließt, was wir täglich so benutzen. Man muss sich dieses Faktum gelegentlich in Erinnerung rufen, um nicht aus dem Blick zu verlieren, welchen Einfluss die physische Verbreitung von Ideen bereits in der frühen Neuzeit hatte. Die Zeitläufte haben die Reformation beflügelt: Ohne das Aufkommen der Massenmedien nach Johannes Gutenbergs bahnbrechender Erfindung des Buchdrucks mit flexiblen Lettern hätte die Bewegung nicht so bald eine solche Durchschlagskraft entwickelt.

Das Stadtmuseum Fembohaus in Nürnberg nimmt diesen Aspekt des Luther-Jubiläums zum Anlass für die Ausstellung „Deutschlands Auge und Ohr – Nürnberg als Medienzentrum der Reformationszeit“, die ab April 2015 dort gezeigt wird.

Thomas Schauerte, Kurator der Ausstellung, nennt die Reformationsgeschichte „vermutlich das erste internationale Medienereignis überhaupt“. Gemeinhin assoziiert man in erster Linie Gutenbergs Neuerung mit dem Aufkommen der Massenmedien. Doch hatte der Mainzer Tüftler seine genialen Eingebungen selbstverständlich nicht voraussetzungslos; auch er baute auf etwas auf – nämlich auf der Verfügbarkeit von Papier. Hier setzt die Ausstellung, chronologisch betrachtet, ein und beleuchtet die Papiererzeugung in Nürnberg. Die Hadermühle, in der seit 1390 Papier hergestellt wurde, war die erste Produktionsstätte nördlich der Alpen. In ihrem Namen schwingt bis heute das Verfahren von damals mit: Man stellte Papier aus Hadern her, nämlich Alttextilien.

Der Nachbau einer historischen Hochdruckpresse steht für eine weitere wichtige Entwicklung für den Buchdruck, die in Nürnberg ihren Ausgang genommen hat: 1470 gründete Anton Koberger eine Großdruckerei, in der vor allem Illustrationen in bis dahin nie gekannter Qualität gedruckt wurden. Ihr Ruf strahlte nach ganz Europa aus; 1483 wurde dort die erste deutschsprachige Bibel gedruckt. Nicht von ungefähr bereitete die technische Entwicklung den Boden dafür, dass die große europäische Reformbewegung des Humanismus in Nürnberg besonders früh Fuß fassen konnte. Ebenfalls nicht von ungefähr bezeichnete Luther Nürnberg im Jahre 1530 als „Deutschlands Auge und Ohr“.

So verschränkten sich in jenen Jahrzehnten die geistlich-religiösen Anliegen mit der sich ausbreitenden Alphabetisierung der Bevölkerung und leiteten ein, was den Mächtigen in Kirche wie Staat in den folgenden Jahrhunderten noch einigen Ärger bereiten sollte: Ihre Schäfchen, plötzlich in der Lage, sich selbst zu informieren, begannen sich doch tatsächlich ihre eigene Meinung zu bilden und diese dann auch zu äußern. Geist zieht eben Geist nach sich – aus der Sicht der Herrschenden mitunter eine durchaus gefährliche Tendenz.

Eine ähnlich selbstverstärkende Dynamik ist auf dem Gebiet der bildenden Kunst zu beobachten. Kurator Schauerte versammelt kostbare Flügelaltäre und andere Zeugnisse, die den Weltrang des Kunstzentrums Nürnberg belegen. So konnte der Kult um den Stadtheiligen St. Sebaldus bis in die 1520er-Jahre hinein blühen. Denn vom Bildersturm, der damals über die protestantisch gewordenen Teile Europas hinwegfegte, blieb Nürnberg verschont. Anderswo wurden derweil Gemälde, Skulpturen, Schmuck, Kirchenfenster mit Christusdarstellungen, ja sogar Orgeln, kurz alles, dem der Ruch von Prachtentfaltung anhaftete, aus den Kirchen entfernt und vertickt, gebunkert oder auch vernichtet.

Das Jahr 1525 markiert indes auch im stolzen Nürnberg eine Zeitenwende. Zwölf Tage lang rangen im Nürnberger Rathaus Altgläubige und Evangelische um die Wiederherstellung der „einhelligen Predigt“. Als Argumentationshilfe ließ der Rat der Stadt nur die Bibel selbst zu und nicht etwa das Kirchenrecht oder sonstige Überlieferungen: eine Aufstellung ganz im Sinne Luthers. Die evangelische Seite setzte sich durch, mit weitreichenden Folgen. So verlagerte sich der Schwerpunkt des Kunstschaffens von der religiösen Kunst weg zu anderen Gattungen. Neue Kunstgattungen wie das druckgrafische Porträt entwickelten sich, die Arbeit der Medailleure setzte sich durch.

Medien- und Hörstationen stellen die Entwicklung der verschiedenen Gattungen dar. Die Ausstellung zeigt theologische und normative Schriften, die von Nürnberg aus im ganzen deutschsprachigen Raum verbreitet wurden. Historische Bilder von Orten und handelnden Personen lassen die Zeit lebendig werden.

Bis ins 19. Jahrhundert hinein sollte die Stadt eines der wichtigsten Publikationszentren des Reichs bleiben. Und ein unsterblich gewordenes Propagandamittel hat seinen Siegeszug durch das politische Europa von Nürnberg aus angetreten: das Flugblatt.

„Deutschlands Auge und Ohr – Nürnberg als Medienzentrum der Reformationszeit“, 23.4. bis 31.10.2015, Stadtmuseum Fembohaus – Museen der Stadt Nürnberg, Burgstraße 15, 90403 Nürnberg, www.museen.nuernberg.de/fembohaus