Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke spricht aus katholischer Sicht über Ökumene

Fast überall in der westlichen Welt hat die katholische Kirche eine beherrschende Stellung. Ausgerechnet in Norddeutschland ist das anders. Deshalb residiert der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke nicht in einem barocken Palais, sondern in einem modernen, zweckmäßigen Bürogebäude gleich neben dem Dom St. Marien. „Sie sehen, wir haben hier keine Limburger Verhältnisse“, scherzt ein sichtlich gut gelaunter Jaschke in Anspielung auf den Skandal um den hessischen Bischof Tebartz-van Elst, als er zum Gespräch empfängt. Wenn Jaschke auf fünf Jahrhunderte Religionsgeschichte zurückblickt, klingt das so lebendig, als wäre er live dabei gewesen.

Hamburger Abendblatt:

Luther hat die Abspaltung von der katholischen Kirche nie gewollt. Wie kann man ihn für die Ökumene gewinnen, wenn es aus seiner Sicht gar nichts zu vereinen gab?

Hans-Jochen Jaschke:

Luther war Mönch, er war geprägt von der katholischen Frömmigkeit. Sein Thema war das Ringen um Gott. Er hat sich wirklich damit gequält. Und durfte dann das Schlüsselerlebnis erfahren, dass er den Glauben geschenkt bekomme. Das war seine Erfahrung: Der Glaube macht mich gerecht. Durch eine Verkettung tragischer Umstände und Schuld auf beiden Seiten hat sich die Kirche an den sekundären Fragen gespalten.

Luther hat ja selber kräftig agitiert.

Jaschke:

Er war kein Waisenknabe! Er hat den Papst als Antichristen bezeichnet, in Rom die Hure Babylon gesehen.

Damit hat er seine Gegner natürlich herausgefordert.

Jaschke:

Rom fühlte sich in seiner Macht bedroht und tat alles, um die Landesherren auf seiner Seite zu halten. 30 Jahre Krieg haben wir geführt, unfassbar brutal! Die Religion war nur noch das äußere Etikett. Die Tochter des großen Protestanten Gustav Adolf von Schweden, Christina, ist sogar katholisch geworden! Die war in Hamburg zu Besuch, da haben Protestanten vor ihrem Palais am Krayenkamp, wo heute der Michel steht, gegen sie demonstriert, weil sie als Katholikin das protestantische Hamburg mit einem rauschenden Fest gereizt hat.

Ist es nicht erstaunlich, dass die Reformation erst einmal zu einer Radikalisierung geführt hat, zu Hexenwahn und Ketzerverfolgungen?

Jaschke:

Das waren keine hellen Zeiten. Die kamen erst durch die Aufklärung. Sie können sich vorstellen, dass diese Bewegung Kirchenkreisen auch nicht recht war. Die Ökumene ist das große Geschenk des 20. Jahrhunderts.

Nun ist es ja auch eine Bereicherung, wenn die beiden großen Kirchen gewisse Polaritäten wahren. Wie halten Sie die Unterschiede in lebendiger Spannung?

Jaschke:

Theologisch betrachtet geht es für die Protestanten um Rechtfertigung: Der Glaube ist es, der zählt, und nicht die Werke. Die Katholiken haben den Papst, und sie haben die Heiligenverehrung. Aber das meiste davon ist längst überholt. Wenn wir wollen, sind wir uns einig.

Die Heiligenverehrung ist für die Katholiken doch streng genommen nebensächlich.

Jaschke:

Ja. Aber weil die Protestanten sie eher abgeschafft haben, haben die Katholiken erst recht drauf beharrt. (lacht)

Wie steht es um die Unterschiede beim Abendmahl?

Jaschke:

Der katholische Priester steht der Messe im Namen aller Gläubigen vor. Die Gemeinde empfängt die Oblaten, den Leib des Herrn. Die Protestanten haben den Laienkelch sofort eingeführt. Seit dem Konzil kennen auch die Katholiken die Kommunion unter Brot und Wein.

Und was ist mit der Wandlung?

Jaschke:

Luther hat gesagt: Das ist Christi Leib! Er lehnte die philosophische Lehre von der Transsubstantiation ab. Die Calvinisten haben unter Protest der Lutheraner ein mehr symbolisches Abendmahlsverständnis gefordert: Brot und Wein sind nicht Fleisch und Blut Christi, sie bedeuten es.

Wie ist die Bibel in den katholischen Gottesdienst eingeflossen?

Jaschke:

Sie war natürlich immer da, aber auf Latein nicht dem Volk zugänglich. Es gab Bilderbibeln, auch plattdeutsche Übersetzungen. Aber insgesamt war die Bibel im Volk nicht verbreitet. Erst mit Buchdruck und der Reformation hat sich das geändert.

Was ist denn heute das Konzept der Ökumene?

Jaschke:

Das Modell ist: Wir sind ein gemeinsames Ganzes. Man spricht von einem Konsens, der differenziert ist. Wir wollen voneinander lernen. Wir sind auf dem Weg.

Wie wird die Ökumene im Alltag gelebt?

Jaschke:

Wir haben den Alltag der Familien. Es gibt Trauungen, bei denen ein katholischer und ein evangelischer Geistlicher mitwirkt Es gibt Taufen, bei denen die anderen Partner dabei sind, aber sie entweder vom einen oder vom anderen gespendet werden.

Was ist mit den gemischtkonfessionellen Ehen?

Jaschke:

„Mischehe“ nannte man das früher – was für ein Wort! Heute sind es konfessionsverbindende Ehen.

Es geht ja in solchen Familien immer um die Frage, in welchem Geiste die gemeinsamen Kinder erzogen werden.

Jaschke:

Dass die Kinder auf jeden Fall katholisch erzogen werden müssen, gibt es nicht mehr! Auch die Evangelischen respektieren die freie Entscheidung der Eltern.

Hamburg ist für Sie Diaspora. Sie machen hier sehr spezielle Erfahrungen.

Jaschke:

Als ich vor 25 Jahren herkam, traf ich auf eine evangelische Bischöfin. Maria Jepsen war weltweit die Erste. Eine Frau in einem solchen Amt! Daran haben sich viele gestört, Katholiken, Orthodoxe, auch Protestanten. Natürlich sind Mann und Frau gleichgestellt. Aber Frauen müssen mehr Machtpositionen in der Kirche einnehmen. Immerhin haben wir in der Verwaltung jetzt 20 Prozent Frauen.

Und wie wäre es mit Priesterinnen?

Jaschke:

Da ist für uns noch eine Grenze. Das Priestertum im engeren Sinne ist immer noch Männeraufgabe. Dazu kommen viele hoch qualifizierte Dienste und Ämter für die Frauen. Die Diskussion geht weiter.