Die Senatorin und Zweite Bürgermeisterin Dorothee Stapelfeldt über den Wissenschaftsstandort Hamburg

Was macht herausragende Forschung aus, und worin unterscheidet sich Hamburg diesbezüglich von anderen deutschen Städten? Über diese und andere Fragen sprach Angela Grosse mit der Senatorin für Wissenschaft und Forschung.

Hamburger Abendblatt:

Was verstehen Sie unter der Wissenschaftsmetropole Hamburg?

Dorothee Stapelfeldt:

Die einzigartige Verbindung von Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und innovativen Unternehmen auf engem Raum. Angetrieben wird sie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich stark engagieren und dabei den gesellschaftlichen Kontext ihrer Arbeit im Blick haben. Wie beispielsweise die Physikerinnen und Physiker, die ein Laser-Skalpell entwickeln, damit Operationswunden kleiner ausfallen und schneller heilen.

Worin unterscheidet sich die Wissenschaftsmetropole Hamburg von Berlin oder München?

Stapelfeldt:

Von der Qualität in Forschung und Lehre her gibt es keine erheblichen Unterschiede. Ich glaube aber, dass es wichtig ist, dass eine Stadt die Bedeutung von Wissenschaft und Forschung für ihre Entwicklung, für ihre Innovationsfähigkeit, für ihre Zukunft verinnerlicht hat. Da können wir alle in Hamburg von anderen lernen.

Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Stapelfeldt:

Nehmen Sie folgendes Beispiel: Es gibt in Hamburg vier Hochschulen, die Universität, die Technische Universität Hamburg-Harburg, die Hochschule für Angewandte Wissenschaften und die HafenCity Universität, an denen Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften sowie Technik, also der sogenannte MINT-Bereich, angesiedelt sind. Wir möchten klären, wie sich die Hochschulen in Zukunft jeweils einzeln und im Verbund aufstellen und welche strategischen Perspektiven sie anstreben können. Deshalb haben wir angeregt, dass dieser Bereich durch den Wissenschaftsrat evaluiert wird. Das wird die Profilierung der Wissenschaft in Hamburg weiter vorantreiben.

Ist ein Hamburger Profil in der deutschen Forschungslandschaft Ihr Ziel?

Stapelfeldt:

Ja. Allerdings muss man differenzieren: Forschungsgebiete wie zum Beispiel Klima-, Infektions- oder Manuskriptforschung, Forschungen zu Mehrsprachigkeit, Law and Economics, Flugzeugbau, Nanoforschung oder Gesundheitsökonomie gibt es natürlich nicht nur in Hamburg. Trotzdem nimmt Hamburg hier auch eine international beachtete Spitzenposition ein. Zudem entstehen Bereiche, in denen wir in absehbarerer Zeit ein weltweites Alleinstellungsmerkmal haben werden – selbst im Vergleich mit renommierten Universitäten wie Stanford. Das gilt beispielsweise für die Strukturforschung. Hier haben wir, wenn der europäische Röntgen-Laser XFEL, das Zentrum für Strukturbiologie CSSB und das Center for Hybrid Nanostructures CHYN auf dem Forschungscampus Bahrenfeld fertiggestellt sind, im wörtlichen Sinn einzigartige Möglichkeiten. Diese Kombination gibt es kein zweites Mal. Eines ist mir wichtig: Sichtbare Cluster wie die Exzellenzcluster an der Universität Hamburg, auf die wir sehr stolz sind, sind nicht der einzige Ausweis für herausragende Forschung made in Hamburg.

Was denn noch?

Stapelfeldt:

Wenn man beispielsweise schaut, wie erfolgreich Hamburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Drittmittel aus der EU einwerben, dann stellt man fest: Sie haben in rund 500 Projekten und fast 600 Projektbeteiligungen mehr als 246 Millionen Euro an EU-Mitteln für Hamburg aus dem letzten Forschungsförderprogramm der EU eingeworben. Damit haben sie im gleichen Zeitraum mehr Geld aus Europa nach Hamburg geholt, als mit allen anderen EU-Programmen zusammen für Hamburg rekrutiert werden konnte. Und wenn wir gucken, wohin das Geld geflossen ist, dann wird klar: Ausgezeichnete Förderung durch die europäischen ERC-Grants erhalten nicht nur Mediziner oder Naturwissenschaftler, sondern auch Geisteswissenschaftler aus Hamburg. Nur wird deren exzellente Arbeit zu meinem großen Bedauern gemeinhin öffentlich nicht so gewürdigt.

Muss also nur die Wahrnehmung von Wissenschaft besser werden?

Stapelfeldt:

Wir wollen und können in Hamburg an einigen Stellen auch in der Sache noch besser werden. Alles andere wäre ja auch bemerkenswert unambitioniert. Es fällt aber auf, dass der Ruf der Hamburger Wissenschaft außerhalb der Stadtgrenzen sehr viel besser ist als in der Stadt selbst.

Brauchen wir nicht ein norddeutsches Wissenschaftsprofil?

Stapelfeldt:

Ja, und seit einigen Jahren verfolgt die Norddeutsche Wissenschaftsministerkonferenz dieses Ziel. Der Norddeutsche Wissenschaftspreis ist der sichtbarste Ausdruck dafür. Die Evaluation von Energieforschung, Biowissenschaften und Meeresforschung unter Einbeziehung aller Beteiligten in Norddeutschland hat wichtige Anstöße gegeben – auch in der Politik. Infolge der Evaluation der Meeresforschung haben sich die norddeutschen Wissenschaftsminister und Wissenschaftssenatoren dafür eingesetzt, dass wir in dem neuen EU- Förderprogramm einen Forschungsschwerpunkt für Meeresforschung haben. Und in dieser Wissenschaft hat Norddeutschland europaweit bereits ein Alleinstellungsmerkmal.

Wie lässt sich 2020 der Satz beenden: Ich möchte in Hamburg forschen, weil...

Stapelfeldt:

… Hamburg eine attraktive Wissenschaftsmetropole ist, die mir hervorragende Forschungsbedingungen und Kooperationsmöglichkeiten in einer spannenden Stadt bietet.