Die Küster Tobias Jahn und Jörg Kleinewiese müssen sonntags arbeiten. Ein Gespräch über ihre besondere Berufung

Sonntags nie? Stimmt nicht. Bei Küstern ist Sonntagsarbeit Pflicht. Wie sie damit umgehen, berichten die Küster Tobias Jahn, 53, vom Hamburger Michel und Jörg Kleinewiese, 53, vom katholischen St.-Marien-Dom. Jahn – verheiratet, keine Kinder – arbeitet seit 22 Jahren am Michel. Und Kleinewiese – verheiratet, zwei erwachsene Töchter – ist seit 2012 als Küster tätig. Während Tobias Jahn Kfz-Mechaniker gelernt hat, ist der Küster, Diakon und Tischlermeister Jörg Kleinewiese mehr als zehn Jahre Entwicklungshelfer in Tansania gewesen.

Hamburger Abendblatt:

Wie oft im Monat haben Sie sonntags frei?

Jörg Kleinewiese:

Einmal im Monat. Wir sind am St.-Marien-Dom insgesamt drei Küster.

Olaf Jahn:

Ich habe auch einen Sonntag pro Monat frei. Wir sind ebenfalls zu dritt im Michel.

Und wer ist der Chef unter den Küstern?

Jahn:

Im Michel sind wir ein Team, wo es einen gibt, der die Richtung vorgibt. Ich habe den Beruf von der Pike auf gelernt und regelmäßig Lehrgänge besucht.

Sie müssen sich ständig fortbilden?

Jahn:

Das wird erwartet. Es gibt zum Beispiel Seminare über den Umgang mit schwierigen Menschen, Burn-out und die Möglichkeiten neuer Technik.

Ein breites Spektrum! Was sind eigentlich die Aufgaben eines Küsters am Sonntag?

Kleinewiese:

Wir läuten die Glocken, bereiten den Altar für die Messe vor, legen die Gewänder für die Priester aus ...

Jahn:

Das gibt es im Michel nicht. Um den Talar kümmert sich der Pastor selbst.

Kleinewiese:

Und dann kümmern wir uns außerdem um Heizung, Beleuchtung und technische Probleme.

Wann geht der Sonntagsdienst los?

Jahn:

Bei mir um acht Uhr – und zwar bis 20 Uhr. Zwischendurch fahre ich nach Hause und mache zwei Stunden Pause.

Kleinewiese:

Ich fange um 7.30 Uhr morgens an und arbeite bis mittags.

Und was trägt ein Küster bei seinem Dienst am Sonntag?

Kleinewiese:

Im katholischen St.-Marien-Dom ist es ein schwarzer Talar.

Jahn:

Schwarzer Anzug und silbergraue Krawatte ist die generelle Dienstkleidung der Küster. Im Michel sollte der Anzug sauber und ordentlich aussehen, so ist es vorgeschrieben.

Arbeiten Sie beide gern am Sonntag?

Jahn:

Ja, ich kenne das praktisch nicht anders. Es ist allerdings wichtig, dass die Ehefrau das akzeptiert. Meine erste Ehe ist daran gescheitert. Aber meine jetzige Frau trägt das seit Jahren mit. Man muss die privaten Sonntage allerdings langfristig planen.

Kleinewiese:

Meine Frau trägt das auch mit. Ich arbeite jedoch nicht so gern am Sonntag. Das ist nicht so familienfreundlich – zumal dann nicht, wenn die Ehefrau einen ganz anderen Arbeitsrhythmus hat.

Ist es denn vor diesem Hintergrund schwierig, junge Leute für diesen Beruf zu gewinnen?

Jahn:

Es gibt junge Menschen, die sich dafür interessieren. Das ist ermutigend. Man muss sich für diese Aufgaben im Raum der Kirche berufen fühlen. Sonst ist man nur halb dabei. Ich übe diesen Beruf aus Überzeugung aus. Obwohl ich mich selbst als nicht sehr religiös einschätze.

Kleinewiese:

Ich sehe auch zurzeit keine gravierenden Nachwuchsprobleme – jedenfalls an den großen Kirchen nicht. Wir müssen nur die richtigen Leute auswählen.

Was macht den Beruf des Küsters so einzigartig?

Kleinewiese:

Die Vielseitigkeit! Ich betrachte es als ein Privileg, in einem solchen Umfeld zu arbeiten.

Jahn:

Das sehe ich genauso.

Passieren Ihnen bei der Sonntagsarbeit auch Fehler?

Jahn:

Ich habe schon mal vergessen, die Mikrofonanlage einzuschalten.

Kleinewiese:

Und ich eine falsche Seite im Evangeliar aufgeschlagen. Mit der Folge, dass ein anderes Evangelium aus der Bibel als das liturgisch festgelegte vorgelesen wurde. Menschen machen eben Fehler.

Wie viele Besucher kommen denn am Sonntag in Ihre Kirche zu den Gottesdiensten?

Jahn:

Im Michel sind das im Schnitt 300 bis 400. An hohen Feiertagen bis zu 2500 Gottesdienstbesucher.

Kleinewiese:

Die portugiesische Messe ist am besten besucht. Da haben wir 600 Teilnehmer.

Sind die Kirchenbesucher am Sonntag fröhlicher als in der Woche?

Jahn:

Das kann ich so nicht bestätigen. Auf jeden Fall sind die älteren Gottesdienstbesucher festlicher und feierlicher gekleidet. Insbesondere Damen. Sie tragen Hut und Mantel.

Kleinewiese:

Das trifft auf unsere portugiesische Gemeinde voll und ganz zu. Männer und Frauen sind sonntags sehr fein gekleidet.

Eine Ihrer Aufgaben ist es auch, den Mess- bzw. Abendmahlswein für den Sonntag zu besorgen. Woher kommt das Produkt?

Kleinewiese:

Wir arbeiten mit einem zertifizierten Messweinproduzenten zusammen. Der Wein muss einen bestimmten Reinheitsgrad haben.

Jahn:

Im Michel reichen wir ausschließlich 100 Prozent Traubensaft.