Der belgische Alte-Musik-Star René Jacobs gastiert in der Reihe „NDR Das Alte Werk“

Was immer René Jacobs auf sein Dirigierpult legt, wird zum Ereignis. Stets aufs Neue tritt der belgische Sängerflüsterer den Beweis dafür an, was man in der Originalklangszene ohnehin weiß: Noten sind nichts als ein Skelett – auf die Inspiration des Interpreten kommt es an, auf sein Gespür für Seufzer, Ornamente, kleine Rückungen, die den Hörer ins Mark treffen. Und die in keiner Partitur stehen, weil sie damals so selbstverständlich waren.

Man braucht keine hellseherischen Gaben, um vorherzusagen, dass Jacobs auch das Publikum der Reihe „NDR Das Alte Werk“ fesseln wird, wenn er Ende Oktober mit dem Helsinki Baroque Orchestra in die Laeiszhalle kommt. Erst recht, weil er eine Reihe von Evergreens im Programm hat. Moment mal, Evergreens? Wer kennt denn schon die weltliche Kantate „Herkules am Scheideweg“? So gut wie jeder, der hin und wieder im Advent das Weihnachtsoratorium hört. Johann Sebastian Bach hat nämlich für das geistliche Werk auf den Eingangschor und die Arien aus der Kantate zurückgegriffen.

Dieselbe Musik, anderer Text, fertig ist das neue Stück. Parodieverfahren nannte man das damals. Alle haben sie davon Gebrauch gemacht, Händel, Vivaldi, Telemann, und dabei munter untereinander abgeschrieben. Diese Art von Recycling war damals gang, gäbe und nach dem Empfinden der Zeitgenossen auch gänzlich unbedenklich.

Auch bei der Trauerode „Lass, Fürstin, lass“ auf die sächsische Kurfürstin hat sich Bach später wieder bedient, nämlich für seine Markus-Passion. Die Partitur dieser Passion ist verschollen. In jüngster Zeit ist die Passion allerdings anhand des überlieferten Textbuchs und der Trauerode mehrfach rekonstruiert worden. So bekannt wie die Matthäus- und die Johannes-Passion ist sie nicht, aber ähnlich ergreifend. Aber hören Sie selbst – das Original.

Helsinki Baroque Orchestra, René Jacobs 29.10., 20.00, Laeiszhalle. Karten zu 10,- bis 36,- unter T. 44 19 21 92 oder www.ndrticketshop.de „NDR Das Alte Werk" – die nächsten Konzerte: Musica neapolitana, Pino de Vittorio 11.11., 20.00, Bucerius Kunst Forum Barocke Rivalitäten: Simone Kermes und Vivca Genaux 26.11., 20.00, Laeiszhalle