Die furchtlose Isabelle Faust gibt einen Soloabend mit alter und ganz neuer Musik

Melodieinstrument – das Wort klingt nach Tautologie. Aber der Begriff hat seinen Sinn. Es erzeugt eben nicht jedes Instrument Melodien, man denke nur an die Schlagzeugfraktion, andere Instrumente dafür mehr als „nur“ die Melodie, etwa das Klavier. Für den Spieler eines Melodieinstruments ist es eher ungewohnt und auch tendenziell ungemütlich, allein aufzutreten. Kein Pianist, der den Geiger auf Harmonien trägt, keine Kollegen im Streichquartett, in deren Klang man sich mischen kann, erst recht kein Orchester, kurz: Es ist ein Drahtseilakt.

Kein Problem für die verblüffende Vielzahl exzellenter Geiger und vor allem Geigerinnen, die unsere Konzertsäle bevölkern. Technisch haben die das allemal drauf. Doch auf welchem Niveau die Geigerin Isabelle Faust das Repertoire durchdringt und reflektiert, das ist schon außergewöhnlich. Berührungsängste mit dem Publikum kennt sie nicht. Vor einigen Jahren spielte sie im wohnzimmerkleinen Salon des Jenischhauses drei der Bachschen Partiten und Sonaten für Violine solo, kaum eine Armlänge von ihren Zuhörern entfernt, und führte vor, wie bei ihr Gedankentiefe und technische Mühelosigkeit, klangliche Sensibilität und Rhetorik Hand in Hand gehen.

Im November kann sich das Hamburger Publikum live davon überzeugen, wenn Faust in der Hauptkirche St. Katharinen gastiert. Für das Konzert haben sich die Reihen „NDR das neue werk“ und „NDR Das Alte Werk“ zusammengetan. Denn auf dem Programm stehen nicht nur drei der Bach-Solowerke. Bei deren immensen musikalischen, intellektuellen und spieltechnischen Herausforderungen lässt es Faust nicht bewenden; sie spielt auch noch zwei Uraufführungen: „Paysage“ von Michael Jarrell sowie ein neues Stück von Heinz Holliger, graue Eminenz der Avantgarde, das der NDR in Auftrag gegeben hat und das so neu ist, dass es noch keinen Titel hat.

Dieses Unfertige macht, bei allen Risiken, auch den Reiz derart blutjunger Musik aus. Isabelle Faust wäre nicht die, die sie ist, wenn sie nicht so intensiv wie möglich Anteil an der Entstehung eines Werks nähme. Umgekehrt kann die Rückmeldung des Interpreten für den Komponisten wertvoll sein.

Auch für ihre gefeierte Einspielung des Bach-Zyklus hat Faust sich ihr eigenes Bild gemacht, hat Quellenstudium betrieben und mit Fachleuten diskutiert. „Es entspräche mir nicht, ein solches Werk einfach nach Bauchgefühl zu spielen“, sagt sie. Das Schöne ist: Das Bauchgefühl, das hat sie auch. Und das hört man.

Isabelle Faust solo 17.11., 20.00, Hauptkirche St. Katharinen. Karten zu 20,- unter T. 44 19 21 92 oder www.ndrticketshop.de