Die Bibel kann hocherotisch sein. Der NDR Chor zeigt es mit „Songs of Love“

„Deine Brüste sollen wie Trauben des Weinstocks sein und der Duft deines Atems wie Apfelduft und dein Gaumen wie vom würzigen Wein“, schmachtet der junge Mann, während seine Partnerin in erotischen Erinnerungen schwelgt: „Mein Geliebter streckte seine Hand durch die Öffnung, da wurden meine Gefühle für ihn erregt. Ich stand auf, um meinem Geliebten zu öffnen, da troffen meine Finger von flüssiger Myrrhe, als ich sie legte an die Griffe des Riegels.“

Diese stellenweise ziemlich eindeutig zweideutige Liebeslyrik stammt – wer hätte das gedacht – aus der Bibel. Genauer, aus dem Alten Testament. Im Abschnitt mit dem Titel „Lied der Lieder“ (Oder auch „Hoheslied“, wie Luther schreibt) ist dort eine Sammlung sinnlicher Liebesgedichte vereint, die König Salomo zugeschrieben wird.

Kein Wunder, dass so viele Komponisten auf diese Texte angesprungen sind: Bot ihnen das „Lied der Lieder“ doch eine schöne Gelegenheit, amouröse Inhalte zu vertonen und dabei trotzdem ganz bibeltreu zu bleiben. Die große Beliebtheit der Gedichte lässt sich an der großen Vielfalt an Hohelied-Werken aus verschiedenen Jahrhunderten ablesen.

In seinem Programm „Songs of Love“ vereint der NDR Chor einige dieser Stücke zu einem stilistisch breit gefächerten Programm. Es beginnt mit fünf Motetten von Melchior Franck, dessen klangprächtige Vertonung deutlich von der venezianischen Mehrchörigkeit inspiriert ist und den Inhalt mitunter sehr plastisch ausmalt – etwa wenn ein „junger Hirsch“ in rasenden Koloraturen voranstürmt.

In eine ganz andere Klangwelt entführt Jean-Yves Daniel-Lesur seine Hörer in der Kantate „Le Cantique des Cantiques“ von 1953. Der französische Komponist hat die Gedichte mit Texten aus dem Neuen Testament verwoben und sie in eine äußerst farbige Klangsprache gekleidet. Für seine schillernden Akkorde fächert er den Chorklang bis zur Zwölfstimmigkeit auf.

Auch der schwedische Zeitgenosse Sven-David Sandström setzt oft auf die verführerische Kraft satter Akkorde. In seinen 2008 entstandenen „Four Songs of Love“ spiegelt sich der Dialog zwischen Mann und Frau in der klanglichen Struktur der Stücke.

Neben einigen gregorianischen Hohelied-Chorälen präsentiert Chordirektor Philipp Ahmannaußerdem noch den Zyklus „Liebe“ von Peter Cornelius auf Texte des barocken Mystikers Johannes Scheffler. Dort geht’s ausnahmsweise ganz jugendfrei zu – so wie es sich viele christliche Keuschheitseiferer auch für das „Lied der Lieder“ gewünscht hätten.

„Songs of Love“ 28.9.,18.00, Hauptkirche St. Nikolai. Tickets zu 21,- unter T. 44192192 oder www.ndrticketshop.de