Der Komponistin Felicitas Kukuck zum 100. Geburtstag

Der Prophet gilt nichts in der eigenen Stadt? Die Komponistin Felicitas Kukuck ist womöglich die berühmte Ausnahme zur Regel. In Blankenese jedenfalls, dem Ort, an dem sie fünf Jahrzehnte ihres Lebens verbrachte, ist ihr Geist bis heute spürbar. Als die vielbeachtete Ausstellung „Viermal Leben“, im Gemeindehaus exemplarisch an die Schicksale jüdischer Blankeneser erinnerte, hat Kukuck, sie starb 2001, gleichsam postum dazu beigetragen; zur Eröffnung erklangen Lieder von ihr auf Texte von Selma Meerbaum-Eisinger, die als junges Mädchen aus Czernowitz deportiert wurde und in einem Arbeitslager starb.

Anlässlich Kukucks 100. Geburtstag am 2. November dieses Jahres finden im Herbst zahlreiche Jubiläumskonzerte statt. Zu verdanken ist das beachtliche Programm Margret Johannsen, Tochter und Biografin der Komponistin. Sie sei wie eine Handlungsreisende in Sachen Kukuck herumgezogen, sagt Johannsen lachend. Auf den Programmen stehen Lieder und Kammermusik in unterschiedlichsten Besetzungen (1.11., Blankenese, 2.11., Gedok Hamburg) und „Das Märchen vom dicken fetten Pfannkuchen“ als Puppentheateraufführung mit Kinderchor (24.9.). Den weit überwiegenden Teil jedoch bilden Chorwerke geistlichen (6. und 7.12., Jesteburg, Klecken und Borgfelde) und weltlichen Inhalts (20.9., Laeiszhalle, 2.11., Blankenese).

Kukucks Rettung war der possierliche Nachname ihres Mannes

Das ist kein Zufall. Vokalmusik bildet den Löwenanteil in Kukucks mehr als 1000 Werke umfassendem Schaffen. Der Text spielt eine bedeutende Rolle bei ihr. Es seien die Worte, die sie entzündeten, hat sie einmal gesagt. Komponierend hat sie sich vehement politisch geäußert, etwa in dem Zyklus „Lieder gegen den Krieg“, der am 20. September in der Laeiszhalle erklingt. Bis ins hohe Alter griff sie Chiffren des Schreckens auf wie Auschwitz, Hiroshima und Tschernobyl.

Denn auch ihre eigene Biografie war geprägt von der Brutalität einer Diktatur. Die junge Frau war „Vierteljüdin“, wie es im Nazi-Amtsdeutsch hieß, weshalb die Eltern sie von der Lichtwarkschule nahmen und nach dem fernen Juist ins Internat schicken. 1937 wurde sie als frisch diplomierte Musiklehrerin mit Berufsverbot belegt. Ihre Rettung war die Heirat 1939 mit Dietrich Kukuck; dank dessen possierlichem Nachnamen entging sie der nationalsozialistischen Mordmaschinerie.

Den kompositorischen Grundsätzen ihres Lehrers Paul Hindemith, bei dem sie bis zu dessen Emigration 1938 in Frankfurt studierte, hat sie zeitlebens die Treue gehalten – und ist mit ihm ins Abseits der öffentlichen Wahrnehmung geraten. Tonales, gar narratives Komponieren, das musste ja den Hohn der Ayatollahs aus Darmstadt und Donaueschingen auf sich ziehen, die im Nachkriegsdeutschland die Lufthoheit über die zeitgenössische Musik beanspruchten.

Ihre Kompositionen schnitt sie auf die Fähigkeiten ihrer Interpreten zu

Kukucks Adressaten waren andere. Sie schrieb bewusst auf einen bestimmten Anlass hin und war sich nicht zu schade, die technischen Anforderungen auf die Fähigkeiten ihrer Interpreten zuzuschneiden. Wie Hindemith sah sie in der sogenannten Sekundbrücke das wesentliche Element für ein gutes, und das hieß für sie auch und vor allem: sangbares Lied. Das Prinzip bedeutet schlicht, dass eine Melodie sich in den kleinsten Tonschritten auf- und abbewegt.

Unübersehbar das Repertoire, das sie allein für Singkreise, Kirchen- und Kinderchöre, für Blockflötenschüler und junge Pianisten hinterlassen hat. Doch findet sich gerade in ihrem Spätwerk auch so hermetische Musik wie „Die Tänze der Mirjam“ für Viola solo aus dem Jahre 1988. Sie zeigen eine Facette der Felicitas Kukuck, die es noch zu entdecken gilt.

Zum 100. Geburtstag von Felicitas Kukuck: AMJ-Begegnungskonzert für Felicitas Kukuck: „Zum Hundertsten!“ 20.9., 19.00, Laeiszhalle Konzert des Hamburger Konservatoriums 24.9., 20.00, Lichthof der Staats- und Universitätsbibliothek„ Das Märchen vom dicken fetten Pfannekuchen“ 31.10., Haus Flachsland, Uhrzeit wird noch bekanntgegeben Geburtstagskonzert 1.11., 21.00, Gemeindehaus der Blankeneser Kirche am Markt Gesprächskonzert 2.11., 12.00, Gedok Hamburg Chorkonzert 2.11., 18.00, Blankeneser Kirche am Markt Chorkonzert 6.12., 18.00, St. Martins Kirche Jesteburg Chorkonzert 7.12., 18.00, Thomaskirche Klecken „KlangFarben“ 7.12., 18.00, Erlöserkirche Borgfelde