Speicherstadtmuseum dauerhaft Block L, Am Sandtorkai 36, T. 32 11 91, www.speicherstadtmuseum.de.

Er verlässt die Schule, um zur See zu fahren“, steht im Zeugnis der 9. Klasse, mit dem Henning Rademacher 1961 seine Schulkarriere beendet hat. Häfen und Schiffe fand der Hamburger Junge allemal spannender als den Lehrstoff, den die Heinrich-Hertz-Schule zu bieten hatte. Leider kam die Ernüchterung allzu schnell. Das Schiff hatte er sich schöner vorgestellt, den Kapitän freundlicher. Und schon kurz nach der Elbmündung wurde der Schiffsjunge auch noch seekrank. Aber unterkriegen ließ sich Rademacher nicht, stattdessen arbeitete er sich hoch, wurde Jungmann und Matrose, besuchte später die Seefahrtsschule und erwarb schließlich das Kapitänspatent. Irgendwann machte er dann doch Schluss mit der Seefahrt, studierte Volkswirtschaftslehre und schloss seine Ausbildung 1980 mit dem Diplom ab.

Wie haben die Menschen in der Zeit vor den Containern im Hafen gearbeitet? Welche Waren wurden damals umgeschlagen und gelagert? Welche Berufe gab es im Hafen und wie lief der Alltag hier ab? Diese Frage interessieren Rademacher, der noch selbst einen Hafenalltag erlebt hatte, den Jüngere nur vom Hörensagen kennen. Dass er sich dabei viel Wissen angeeignet hat, sprach sich in Fachkreisen schnell herum, weshalb er 1987 Volontär am Museum der Arbeit wurde.

Das geschah zu einer Zeit, in der das Museum noch gar nicht geöffnet war, aber bereits mit Aktionen an die Öffentlichkeit trat. Dazu gehört auch die Ausstellung „Speicherstadt. Baudenkmal und Arbeitsort“, die 1988 in den Räumen der Quartiersfirma Eichholtz & Consorten am St. Annenufer 2 zu sehen war. Henning Rademacher war begeistert von der Atmosphäre des Speichers, in der die Geschichte des berühmten Lagerhauskomplexes ganz gegenwärtig zu sein schien. Nachdem die Ausstellung 1989 im Rahmen der Feiern zum 800. Hafengeburtstag erneut für einige Zeit zu sehen gewesen war, kam ihm eine ungewöhnliche Idee: Sollte es nicht möglich sein, aus der temporären Ausstellung ein eigenes kleines Museum zu machen, in dem Hamburger und Touristen etwas über die spannende Geschichte der Speicherstadt erfahren können? Obwohl der ehemalige Seemann genau wusste, dass er sich damit auf höchst unsicheres Fahrwasser begab, machte er dem Museum der Arbeit und der Kulturbehörde den Vorschlag, die Ausstellung privat zu betreiben. Ein solches Experiment hatte es noch nie gegeben, denn das Speicherstadtmuseum, das im April 1995 an den Start ging, wird zwar mit allen Risiken von Henning Rademacher privat betrieben, bleibt aber trotzdem eine Außenstelle des Museums der Arbeit. Die Anfangszeit war schwer, und als in der ersten Wintersaison kaum ein Besucher die knarrende Holztreppe des historischen Speichers am St. Annenufer erklomm, befürchtete der Museumschef, dass sein Experiment doch noch fehlschlagen könnte.

Doch mit der Zeit sprach sich das neue Angebot herum, viele Hamburger und noch mehr Touristen kamen in das Museum, das am authentischen Ort mit originalen Exponaten vom Arbeitsalltag der Quartiersleute zeugt.

Bis zu 55.000 Menschen besuchen pro Jahr das Museum, das 2011 auch den sanierungsbedingt notwendigen Umzug in den Speicherblock L am Sandtorkai 36 gut verkraftet hat. Hat er es jemals bereut, sich auf dieses Experiment eingelassen zu haben? „Nein, es hat sich gelohnt, weil mir dieses Museum so viele Chancen und Möglichkeiten bietet. Ich habe hier die interessanteste Beschäftigung in meinem Leben gefunden“, sagt der 69-Jährige, der noch lange nicht daran denkt, sich zur Ruhe zu setzen.

Zur Person: Henning Rademacher wurde 1944 in der Wesermarsch geboren, wuchs aber in Hamburg auf. Zu seiner ereignisreichen Berufsbiografie gehörte auch die Mitbegründung der Schwulen-Buchhandlung „Männerschwarm“. 1981. Seit 1995 betreibt er das Speicherstadtmuseum als private Außenstelle des Museums der Arbeit. Sein engster Mitarbeiter ist der Kunsthistoriker und Autor Ralf Lange.