Mit Propst Johann Hinrich Claussen über kuriose Apps für Mobilgeräte und die möglichen Folgen

An dieser Stelle über Fußball – kein einziges Wort. Stattdessen möchte ich lieber den Fortschritt loben. Denn groß ist seine Güte und wunderbar die Fülle seiner Werke. Zum Beispiel diese App, die mir ein ansonsten übertriebener Spiritualität unverdächtiger Mitmensch mit ergriffen leuchtenden Augen vorgeführt hat: die Achtsamkeit-App. Als vielstbeschäftigter, unablässig global herumdüsender Dauerarbeiter hat er sie sich auf sein brandneues Supersuperhandy geladen.

Begeistert stellt er mir vor, wie man sich von dieser App durch größere und kleinere Meditationen führen lassen kann. Bevor ich ihn fragen kann, wie denn eine Meditation gelingen und eine ganz andere Art von Erlebnis bieten kann, wenn er dabei ständig auf den kleinen, bunten Bildschirm schaut – was er doch sowieso schon die ganze Zeit tut – oder einer Automatenstimme lauscht, fügt er entschuldigend hinzu, dass ihm für solche Übungen natürlich leider, leider die Zeit fehle. Immerhin diese eine Funktion würde er regelmäßig nutzen: Immer wenn er nach Hause komme, spätabends oder nachts von irgendwo-sehr-weit-her, erhalte er von seiner App das Signal „Jetzt bist du zu Hause“, verbunden mit zarten Achtsamkeitsbefehlen wie „Atme ein und aus“ oder „Spüre die knarzenden Holzdielen unter deinen Fußsohlen“ oder „Komm jetzt an bei dir selbst“.

Da staune ich wieder einmal darüber, was Menschen so brauchen können. Einleuchtender, was den Nutzwert angeht, wenn auch nicht ganz so spirituell, achtsam und sanftpfötig erscheint mir folgendes Konkurrenzangebot: die Split-App. Sie hilft Menschen, die sich gerade getrennt oder schwer gestritten haben, dabei, sich nicht mehr über den Weg zu laufen.

Wer dem bösen Vorgesetzten oder der Ex-Geliebten nicht mehr begegnen will, erhält rechtzeitig ein Signal, wenn diese Unperson einem auf der Straße entgegenkommt oder in dem Restaurant sitzt, das man gerade auch aufsuchen will. Aber so plausibel die Grundidee dieses „antisozialen Netzwerkes“ auch ist, ihre Umsetzung dürfte schwierig sein. Denn man müsste mit dem Ex-Mitmenschen vereinbaren, wie man die jeweiligen Bewegungsdaten austauscht – was ein ziemlich großer Vertrauensbeweis wäre. Und wenn man so weit wäre, dann könnte man sich eigentlich auch gleich wieder miteinander vertragen.