Die Komödien „Achtung Deutsch!“ und „Daily Soap“

Die Kulisse ist wohlbekannt: ein Bühnenbild mit sechs oder sieben Türen, die abwechselnd auf- und zuklappen. Typisch für Verwechslungskomödien vergangener Jahrzehnte. Das mit den Türen funktioniert heute nur noch bedingt. Ein guter Schauspieler aber braucht Raum – oder er nimmt ihn sich. Das gilt von jeher auch für das Komödienfach, denn gerade das Heitere, das Leichte ist oft das Schwierigste.

Jochen Busse weiß das aus jahrzehntelanger Erfahrung. Der 73 Jahre alte Mime und Kabarettist ist noch immer einer der gefragtesten Komödianten der Republik. Busse hat auch Regie geführt bei „Achtung Deutsch!“, einer Produktion des Bonner Contra-Kreis-Theaters. Sie wird am 23. Juni als eine von vier Komödien bei den Privattheatertagen zu sehen sein und kreist neben „Daily Soap“, das am 21. Juni als Produktion des Berliner Theaters im Palais in den Hamburger Kammerspielen gastiert, um ungewöhnliche Formen des Zusammenlebens.

Das Stück „Achtung Deutsch!“ des österreichischen Autors Stefan Vögel spielt in einer Multikulti-Wohngemeinschaft. „Das hat er sich geschickt ausgedacht, in dieser Grundidee steckt Konfliktpotenzial, aber die Bewohner müssen sich nicht auf Gedeih und Verderb verpflichten“, sagt Busse. Hier prallen ganz unterschiedliche Individuen aufeinander, der enge, begrenzte Raum sei gut für mitmenschliche Reibung. Die Konflikte kochen langsam hoch. Ideal für das Theater.

Die Zuschauer müssen sich in einer Komödie wiederfinden können

Mit Vorurteilen und Klischees zu spielen gehört in Komödien fast immer zum guten Ton, in jedem Fall aber zum Handwerk. Stefan Vögel hat es mit der WG-Situation und dem Thema Integration geschafft. In „Achtung Deutsch!“, das im Vorjahr in einer Inszenierung Martin Woelffers fast zwei Monate lang im Winterhuder Fährhaus lief, gaukeln die vier ausländischen Bewohner in Abwesenheit des Hauptmieters Henrik Schlüter einem Vertreter der Wohnungsbaugenossenschaft die perfekte deutsche Familie vor. Sie wollen der Kündigung entgehen. Und der von Abschiebung bedrohte, indes perfekt Deutsch sprechende Syrer Tarik gibt das „Familienoberhaupt“. Auch wenn Vögels Plot einer Patchwork-Sippe etwas konstruiert wirkt, konnte Busse mit seiner Inszenierung von „Achtung Deutsch!“ in Köln und Düsseldorf Erfolge feiern. „Das Thema muss zeitgemäß sein, die Leute müssen sich zu Hause fühlen“, sagt Busse.

Ein Zuhause bietet ebenso „Daily Soap“. In Amanita Muskarias Familiengeschichte bilden drei Generationen eine WG. Hier ist das Konfliktpotenzial erblich. Weil Vater und Mutter, Tochter und Oma unter dem Dach der vermeintlich heilen Welt Kompromisse eingehen, wird in der Inszenierung von Renate-Louise Frost verdrängt, verschwiegen und verheimlicht. Bis es naturgemäß irgendwann nicht mehr geht und die Dinge sich eruptiv entladen.

In einer Zeit ohne Tabus hat es der Boulevard zunehmend schwer

Jochen Busse erinnert in diesem Zusammenhang an den Grundsatz des Italieners Carlo Goldoni („Der Diener zweier Herrn“), im 18. Jahrhundert Erneuerer des italienischen Lustspiels: „Bei einer Komödie muss der Zuschauer mehr wissen als die handelnden Personen.“ Mit einer unabdingbaren Ergänzung: „Der entscheidende Satz, der alles erklären würde, darf auf der Bühne nicht fallen“, sagt Busse.

Die Dialoge jedoch sollten pointiert sein. Und ob damals oder heute, ohne exaktes Timing funktioniert keine gute Komödie. Das ist für einen inszenierenden Regisseur auch die größte Hürde. Denn jeder Verlust an Präzision rächt sich sofort und führt zum Durchhänger beim Publikum. Der Franzose Georges Feydeau nahm zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Stücken wie „Der Floh im Ohr“ oder „Der Damenschneider“ gekonnt die Doppelmoral des damaligen neuen Bürgertums aufs Korn. „Dass es heute keine echten Tabus mehr gibt, macht es dem Boulevard sehr schwer“, sagt Busse. Aber auch junge Leute wollen lachen. „Da ist das Thema Sexualität immer noch am interessantesten.“

Für alle Komödianten gilt eine Maxime des beliebtesten aller deutschsprachigen Humoristen, des 2011 gestorbenen großen Loriot: Es soll möglich, aber im besten Falle nicht sinnlos sein. Dann haben die Schauspieler und die Zuschauer ihren Spaß.

„Daily Soap“ Sa 21.6, 19.00, Hamburger Kammerspiele; „Achtung Deutsch!“ Mo 23.6., 20.15, Komödie Winterhuder Fährhaus