Der Hamburger Dramaturg Florian Vogel über seine Erfahrungen in der Jury, die quer durch Deutschland reiste

Der Dramaturg Florian Vogel, der zuletzt interimistisch die künstlerische Leitung am Schauspielhaus innehatte, war neben der Regisseurin Frauke Thielecke und dem Unternehmensberater Björn Bloching Teil der reisenden Jury in der Kategorie Zeitgenössisches Drama für die Privattheatertage.

Hamburger Abendblatt:

Die Gegenwartsdramatik gilt als schwieriges Feld. Autoren liefern mit einer Uraufführung einen Hit ab und verschwinden in der Versenkung. Es mangelt an Nachhaltigkeit. Gibt es zu wenig gute Autoren?

Florian Vogel:

Das ist die Frage, ob es zu wenig gute Autoren gibt oder ob es am Markt liegt, dass sie One-Hit-Autoren werden. Die Autoren haben keine Zeit, sich zu entwickeln und werden teilweise von den Produzenten schlecht behandelt. Auch ein gutes Stück wird häufig nicht nachgespielt.

An den Stadttheatern sind Klassiker in der Regel gut besucht, während Uraufführungen schnell verschwinden.

Vogel:

Schon das Wort Uraufführung wirkt auf manche abschreckend. Die Leute denken, das ist zu experimentell. Das Bedürfnis der Zuschauer, sich wiederzufinden, ist sehr groß. Bei einer Uraufführung existiert eine Angst davor, dass es zu ernst ist und „humorbefreit“. Ich weiß nicht, woher das kommt, diese Sorge, dass man nicht gut genug unterhalten wird.

Wie positionieren sich die Privattheater in der Konkurrenz mit Stadttheatern?

Vogel:

Mich hat verwundert, dass mit 41 Zusendungen die meisten Bewerbungen für unsere Kategorie eintrafen. Inbegriffen sind neben Uraufführungen auch Romanadaptionen und Klassiker der Moderne. Aber es waren viele Stücke junger Autoren dabei, die an Stadttheatern diskutiert wurden und in einem sogenannten Privattheater zur Uraufführung kamen.

Wie sind denn die Erfahrungen der Privattheater mit diesen Stoffen?

Vogel:

Ich finde das Wort Privattheater äußerst unglücklich, denn es verweist nur auf eine Betriebsform. Der Begriff klingt für mich nach außen wie eine Entschuldigung für die oftmals geringen Produktionsmittel. Grundsätzlich ist Theater aber keine Privatsache.

Die Vorstellung geringerer Produktionsmittel hängt den Privattheatern an.

Vogel:

Die meisten Privattheater haben ja durchaus gemischte Spielpläne. Manche sagen, wir gehen nicht mehr in Staatstheater, weil wir vor 20 Jahren dort durch nackte Menschen auf der Bühne erschreckt wurden, aber seither gehen wir in Privattheater. Natürlich können die nicht so risikoreich arbeiten. Die Stadttheater funktionieren ja als Forschungstheater, wo man neue Formen ausprobieren kann, von diesem Labor profitieren auch die Privattheater.

Wie haben Sie die Suche nach dem Theater in der „Provinz“ erlebt?

Vogel:

Die Vielfalt und Qualität, die wir hier in Hamburg haben, habe ich so weder in Berlin, München oder Stuttgart gefunden. „Fett Swien“ am Ohnsorg Theater ist ein erfolgreiches Well-made play. Das auf Platt zu übersetzen, finde ich sehr mutig, und es hat sich gelohnt. In der Vorstellung saßen fast nur Leute zwischen 30 und 40 Jahren.

„Morgen spricht von mir die ganze Welt“ vom Zimmertheater Tübingen ist mit der Geschichte eines historischen Amoklaufes sicher das herausfordernste Stück. Was hat Sie daran überzeugt?

Vogel:

Ich fand sehr spannend, wie man einen abstrakten Kriminalfall auf der Bühne belebt. Der regionale Aspekt von Theater ist toll. Außerdem ist es als Aufführung eine Entdeckung.

Haben Sie skurrile Situationen auf Ihren Reisen erlebt?

Vogel:

Je kleiner die Theater waren, desto weiter vorne hat man uns platziert. Das kleinste Haus hatte 44 Plätze, der Raum maß 15 Quadratmeter. In Herlingen auf der Schwäbischen Alb hätte ich eine Dreiviertelstunde den Berg hochlaufen müssen, da hat mich die Apothekerin hingefahren. Sie wusste, was gespielt wird und wie das ankam. Es gibt eine starke Identifikation mit den Häusern. Das macht Spaß.