Seine Großmutter hätte ihn gerne als Pastor gesehen, doch Ian Karan ist nun mal der geborene Unternehmer. Sein Glaube an Gott ist tief verwurzelt und hat ihn durch die Höhen und Tiefen seines Lebens getragen

Wenn Ian Kiru Karan vorne zum Altarraum der Wellingsbüttler Lutherkirche schaut, fällt ihm sofort die Anekdote zur Hochzeit mit seiner Frau Barbara im Juni 1988 ein. „Es gab damals aus irgendeinem Grund für Hochzeitspaare keine richtigen Stühle, die haben wir erst im Alten Land gekauft, bevor wir zum Altar geschritten sind“, sagt der 74-Jährige lächelnd. Er hat die Stühle seiner Kirchengemeinde genauso gestiftet wie den Weg hinter dem Backsteinbau. Der war sehr uneben, rutschig und schlecht beleuchtet, da hat Ian Karan kurzerhand die Rechnung für einen ebenen, ausgeleuchteten Weg übernommen – ohne viel Aufhebens. Spontan, das ist er gerne. Nun können die Familie und andere Besucher unbesorgt zu Fuß in die schlichte, sehr schöne Kirche mit ihrem Tonnendach kommen. Ein regelmäßiger Kirchgänger ist der Unternehmer dennoch nicht.

„Ich glaube sehr tief und fest an Gott, und ich finde die Gemeinschaft in der Gemeinde sehr wichtig, aber mit der Institution Kirche hadere ich schon manchmal“, sagt er.

Derzeit regt ihn in Hamburg die ganze Debatte um die Lampedusa- Flüchtlinge auf, da mischt er sich ein, das ist sein Naturell, einmischen, mitmischen, Probleme lösen. Zu dem Flüchtlingsthema trifft er sich mit Bischöfin Kirsten Fehrs, um ihr seine Meinung zu sagen. „Ich finde die Barmherzigkeit der Kirche wichtig, aber sie kann nicht zulassen, dass Menschen gegen geltende Gesetze verstoßen“, kritisiert er. Es gehe einfach nicht, dass die Asylsuchenden ihre Identität nicht preisgeben. „Das wirft ein schlechtes Bild auf Migranten“, sagt er. Er weiß, wovon er spricht, schließlich ist Ian Karan selber nach Deutschland emigriert.

Ian Karan kommt ursprünglich aus dem Norden von Sri Lanka. Seine Mutter starb bei der Geburt, sein Vater nur wenige Jahre später. Sein Großmutter kümmerte sich um ihn, eine starke, sehr gläubige Frau, die alle im Dorf zu missionieren versuchte. Sie war eine wohlhabende Frau und die erste Christin in seiner Familie. „Alle vor ihr waren Hindus, auch mein Vater, der musste sogar zum Christentum konvertieren.“

In seiner Schule wurde jeden Morgen und Abend gebetet, das fand er gut

Seine Großmutter lieh anderen Dorfbewohnern Geld, hatte aber ihre Bedingungen dafür. „Sie nahm keine Zinsen, dafür mussten die Schuldner, bis sie ihr das Geld zurückgegeben hatten, in die Kirche gehen“, sagt Karan und muss erneut lachen. Auch bei dem Gedanken daran, dass er eigentlich Pastor werden sollte wie sein Onkel. „Aber dann erwischte meine Großmutter mich mit elf Jahren, als ich mit Freunden hinter der Kirche eine Zigarette rauchte. Da war klar, dass ich nicht zum Pastor taugte.“ Er ist eben der geborene Unternehmer.

Eine fundierte christliche Erziehung hat er dennoch genossen. Mit viereinhalb Jahren kam Ian Karan in ein Internat, das von Methodisten geführt wurde, später auf eine protestantische Schule. Jeden Morgen und Abend wurde gebetet. „Der Glaube gab mir schon damals viel Halt. Aber ich bat Gott vor allem um mehr zu essen, die Mahlzeiten waren doch karg“, sagt Karan und deutet eine Kindheit an, die von Hunger und Alleinsein geprägt war. Bibelstudium gehörte zum Alltag, für ihn kein Problem, er mochte die vielen Geschichten in dem Buch. Vor allem liebte er die Geschichte vom verlorenen Sohn – bis heute. „Damit kann ich mich identifizieren. Das ist irgendwie auch meine Geschichte“, sagt er. Denn als er mit 17 Jahren Sri Lanka verließ und nach England zog, gab seine Großmutter ihm noch mit auf den Weg, der Familie niemals Schande zuzufügen. „Als ich in England von der Uni flog, war das eine große Schande, die meine Großmutter zum Glück nicht mehr erlebt hat.“ Nach dem Zwischenaufenthalt in London kam er mit 31 Jahren nach Hamburg – und verliebte sich in die Stadt. Sie ist jetzt seine Heimat und Ian Karan seit vier Jahren Deutscher.

Aber er kam auch nach Sri Lanka zurück – sehr viel später und nur als Besucher. Und mit einem Geschenk für seine alte Schule. Ian Karan baute das christliche Internat, auf das er damals gegangen und das durch den Krieg in dem Land zerstört worden war, wieder auf. „Ich schien verloren und kam als erfolgreicher Mensch in mein Heimatland zurück“, sagt er.

Anderen zu geben gehört seit jeher zu seiner Lebens-Philosophie. So unterstützt Ian Karan auch in Hamburg viele soziale Projekte, vor allem wenn es um Bildung geht und die Förderung von Migrantenkindern. Er empfinde es als christliche Pflicht zu helfen, sagt er.

Dabei gab es Zeiten, in denen Ian Karan ganz unten war, in denen er von Existenzängsten geplagt wurde und schwer mit seinem Glauben haderte. „Wenn es mir schlecht geht, zweifele ich manchmal, ob Gott mich noch liebt. Ich versuche dann aber nur, einen Schuldigen für meine Misere zu finden“, sagt er ehrlich.

Ian Karan verlor sein Haus, konnte es aber später wieder zurückkaufen

Seine größte Misere war zwischen 1993 und 1995, als er seine Containerfirma an eine englisch-amerikanische Firma verkaufte, die den Kaufpreis nicht zahlte. Das zog dem Unternehmer den Boden unter den Füßen weg. Plötzlich war er gezwungen, sein Haus zu verkaufen, um nicht auf Kredit zu leben.

„Da habe ich mich verlassen gefühlt, aber auch gleichzeitig Gottes Hilfe herbeigesehnt. Ich war tief getroffen, denn man hatte mir nicht nur meine Existenz geraubt, sondern auch die Ehre als Kaufmann“, sagt Karan, und sein Gesicht verdüstert sich. Es ist eine Episode in seinem Leben, die so tief geht, dass er sie noch immer nicht verschmerzt hat. Aber die Genugtuung kam fünf Jahre später, als er das Haus zurückkaufte und erfolgreicher wurde als je zuvor.

Viel Halt gab ihm damals seine zweite Ehefrau Barbara. „Sie hat immer zu mir gehalten“. Auch als die Ehe mal in einer schwierigen Phase war. „Ich neige dazu zu schweigen. Da hat sie mir einen Brief geschrieben und an unseren Trauspruch erinnert. Das fand ich sehr schön.“ Er ist froh, dass auch sie gläubig ist, denn Ian Karan ist sich sicher, dass der Glaube „einer Ehe und dem Leben ein tiefes Fundament“ gibt. Und ein Fundament ist wichtig, genauso wie Wurzeln. Die hat Ian Karan in Hamburg und in Sri Lanka geschlagen.