Mit Propst Johann Hinrich Claussen über Sportverletzungen und Reaktionen des Umfeldes

Auch das Alter hält eigene Freuden bereit. Zum Beispiel das Glück, ausführlich über eigene Krankheiten zu sprechen. Leider wird der Genuss dadurch getrübt, dass die Mitwelt nicht immer ein angemessen ausdauerndes Interesse an den Tag legt. Dabei gäbe es manchmal durchaus etwas Allgemeingültiges zu lernen.

Wenn man sich etwa beim Sport das Knie verletzt hat (Einzelheiten bleiben der geneigten Öffentlichkeit erspart) und über einen längeren Zeitraum an Unterarmgehstützen (wir wollten ja nicht mehr „Krücken“ sagen) durch seine Welt humpelt, kann einem vielerlei bewusst werden. Zum einen, dass der unfreiwillige, zwischenzeitliche Wechsel von der Seite der Gesunden auf diejenige der Kranken seinen Nutzen hat: Man lernt Empathie, ohne dafür ein teures Wochenendseminar buchen zu müssen; man übt Gelassenheit und Geduld; man beginnt, sich über kleine Dinge wie Rücksicht im öffentlichen Personennahverkehr oder minimale Fortschritte zu freuen; man begegnet der Kompetenz und Sorgfalt von Berufsgruppen, zu denen man bisher wenig Kontakt hatte. Man erfährt auch viel. So kenne ich inzwischen die Gelenk- und Knochenproblematiken meiner Gemeindemitglieder viel besser als ihre seelischen Nöte. Obwohl das eine mit dem anderen wahrscheinlich viel zu tun hat.

Besonders lehrreich für das weitere eigene, hoffentlich dann gesundete Leben ist schließlich diese Erfahrung: Als Sportverletzter begegnen die meisten Menschen einem mit einer angenehmen Mischung aus Mitleid und Spott. Gerade die Unsportlichen, die in unseren selbst optimierten Zeiten eine beschämte und bedrückte Minderheit darstellen, können sich kaum zurückhalten. Sie hätten es ja immer gewusst: Sport wird überschätzt. Man sollte ihnen diesen seltenen Triumph gönnen.

Denn die Verbindung der scheinbaren Gegensätze von Mitleid und Spott ist der Heilung durchaus förderlich. Keine Barmherzigkeit zu empfangen wäre ebenso bitter wie nackte Schadenfreude. Nur Mitleid jedoch – so von oben herab – könnte man über eine längere Zeit auch nicht ertragen. Mit einer Prise Spott gewürzt allerdings, also begrenzt und unterbrochen, hilft ein humorvolles Mitleid einem schon sehr, das zwischenzeitlich beschwerte Leben leichter zu nehmen.