Der italienische Pianist Stefano Bollani tritt mit der NDR Bigband beim Elbjazz-Festival auf

Eigentlich hat der Jazz das Image des sperrigen Kunstgenusses nur für Bescheidwisser längst abgestreift. Wer Stefano Bollani Klavier spielen hört, ist versucht, auch ihn zu den Vertretern einer Popularisierung des Jazz zu zählen. Doch das wäre ein Irrtum. Der Mailänder mit seinem Lockenkopf, der aussieht wie ein verwegener neapolitanischer Barmann, wollte als Kind eigentlich Sänger werden, besuchte dann aber doch das Konservatorium. Anschließend bediente er für einige Jahre als begehrter Sideman das Keyboard beim italienischen Rapper Jovanotti.

Bis er den Trompeter Enrico Rava traf. Der Grandseigneur des italienischen Jazz lehrte ihn, im Jazz seine Stimme zu finden. Heute singt Bollani gleichsam durch die Tasten seines Instruments. Gemeinsam spielten die beiden ein paar fabelhafte Alben ein, die Bollani als unerschrockenen Könner an der Schnittstelle von Klassik und Free Jazz auswiesen. Jüngst nahm er Musik im Duett mit Chick Corea auf. Auch sie zeigt: Keine Harmonie ist ihm zu abgelegen, kein Motiv zu krude, kein Klang zu obskur.

Hören lässt sich Bollanis Musik dennoch gut. Und er ist ein Freund ungewöhnlicher Kombinationen. Er hat mit Pat Metheny, Lee Konitz oder Richard Galliano musiziert, aber auch mit dem Gewandhausorchester Leipzig oder Caetano Veloso. Bei einem Gastspiel im NDR entstand die Idee, mit einem Jazzorchester aufzutreten. 2012 präsentierten Bollani und die NDR Bigband schließlich ihre gemeinsamen musikalischen Utopien unter dem Titel „Die Visionäre“. Für Bollani war es ein Glücksfall, dass der norwegische Saxofonist Geir Lysne das Material arrangierte und dirigierte. „Ich wünschte mir jemanden aus einem anderen Kulturkreis, der mich mit meiner Musik überraschen würde.“ Das Ereignis beglückte beide Seiten derart, dass man sich für eine Studioaufnahme verabredete. Mit Jeff Ballard am Schlagzeug entstand das Album „Big Band!“, das 2013 mit einem Echo Jazz in der Kategorie „Big Band Album des Jahres“ geadelt wurde. Nun ist die Musik davon mit allen Akteuren beim Elbjazz-Festival zu erleben.

„Big Band!“ enthält Kompositionen Stefano Bollanis, die er auf früheren Alben mit kleineren Ensembles eingespielt hat, etwa „La Sicilia“ auf „Mambo Italiano“ (1987), „Elena e il suo violino“ und „Il barbone di Siviglia“ auf „L’Orchestra Del Titanic“ (1999) oder „Storta va“ und „Quando la morte verrà a prendermi“ auf „I Visionari“ (2006). Mal elegant hingeträufelt, dann wieder berstend vor vertrackten Harmonien und mit virtuos vor sich hin wühlendem Piano.

Und weil Stefano Bollanis Improvisationen am Piano allein schon ein Ereignis für sich sind, wird er die Elbjazz-Besucher zusätzlich mit einem Soloabend verwöhnen. besonders im Solospiel zeigt sich, mit welcher Leichtigkeit er sich Dinge aneignet und mit eigener Stimme verwandelt wiedergibt. Ufert er mal aus, holt er sich mit Selbstironie und lässiger Gebärde rasch wieder auf den Boden zurück. Ähnlich wie der pop-affine Chilly Gonzales ist Stefano Bollani ein komisches Naturtalent, ohne jemals die Grenze vom Humor zum Klamauk zu überschreiten.

Stefano Bollani Solo und mit der NDR Bigband 24. Mai, Gelände Blohm + Voss, Tagesticket 49,50, Kombiticket 79 Euro im Vorverkauf