Andris Nelsons dirigiert Strauss und Brahms

Alle wollen Andris. Auf diese Formel könnte man den Reigen der Intendanten und Kulturpolitiker bringen, die seit Jahren bei dem lettischen Dirigenten Andris Nelsons antichambrieren. In München und Hamburg wurde er schon als Kandidat für den Chefdirigentenposten gehandelt, derzeit gilt er als heißer Tipp für die Nachfolge von Simon Rattle bei den Berliner Philharmonikern. In gewissem Sinne ist er jetzt schon Rattles Nachfolger. Der hatte nämlich vor seiner Berliner Zeit die Leitung des City of Birmingham Symphony Orchestra inne, dem heute Nelsons vorsteht – neben seinem Chefposten beim Boston Symphony Orchestra.

Nelsons dirigieren zu sehen, hat etwas von einem Naturereignis. Jedes Detail seines gestischen Feuerwerks verwandelt sich im Orchester fast greifbar in Volt, in Sog, in atemberaubende Crescendi oder ebenso atemberaubendes Flüstern, all diese Aggregatzustände der Erregung spiegeln sich auf seinem Gesicht. „Er ist einfach Musik“, sagt die Pianistin Hélène Grimaud über Nelsons und fasst damit zusammen, was dieser freundliche, eher wortkarge 35-Jährige ausstrahlt, sobald er die Bühne betritt, und womit er Musiker und Zuhörer in aller Welt schlicht beglückt. Im Rahmen des 1. Internationalen Musikfests Hamburg kommt Nelsons im Mai wieder nach Hamburg, diesmal mit dem Concertgebouworkest Amsterdam, einer der traditionsreichsten Edelkarossen unter den europäischen Klangkörpern.

Auf dem Programm stehen zwei Ständchen für das Geburtstagskind des Jahres 2014, Richard Strauss: Mit dessen Sinfonischen Dichtungen „Till Eulenspiegels lustige Streiche“ und „Macbeth“ spannt Nelsons einen denkbar weiten Bogen vom virtuosen Übermut auf die mittelalterliche Schelmengeschichte bis zum tödlichen Ernst des Shakespeare-Dramas, dessen Abfolgen Strauss exakt einhält. Und nach so viel gesellschaftskritischer Programmmusik schließt das Konzert mit einer Hommage an einen Hamburger Komponisten, mit der Sinfonie Nr. 2 von Johannes Brahms.

Concertgebouworkest Amsterdam, Andris Nelsons 10.5., 18.00, Laeiszhalle. Karten zu 12,- bis 95,- unter T. 35766666