Bei Matthias Goernes Residenz kann man es hören

Anfang März meldete sich die New Yorker MET bei Matthias Goerne. Ob er wohl am nächsten Tag für den erkrankten Thomas Hampson die Titelrolle in Alban Bergs „Wozzeck“ übernehmen könne? In dieser anspruchsvollen Partie über Nacht einzuspringen, ist natürlich ganz schön riskant. Das kann auch in die Hose gehen. Aber Goerne, der die Rolle gerade ein paar Tage vorher beim Gastspiel der Wiener Staatsoper interpretiert hatte, sagte Ja – und feierte einen triumphalen Erfolg. „Goerne sang nicht den Wozzeck, er war Wozzeck“ schrieb ein New Yorker Rezensent; der Wiener Kurier schwärmte von der „großen Intensität und Wortdeutlichkeit“ des Sängers.

Genau diese Mischung aus Sorgfalt und Ausdruckskraft zeichnet den Bariton aus. Und zwar nicht nur auf den großen Opernbühnen in New York, London oder Wien, wo er zu den Stammgästen gehört. Sondern auch bei seinen zahlreichen Konzertengagements. Der Mittvierziger ist ein Liedsänger aus Leidenschaft. Das demonstriert er auch während seiner Kurzresidenz in Hamburg, die dem Schaffen von Franz Schubert gewidmet ist. „Mit Schubert können Sie den ganzen Menschen erklären, in all seinen Facetten, Sehnsüchten, Ängsten und Fehlern“, sagt der Bariton. Er weiß, wovon er redet, er hat die Schubert-Lieder hundertfach aufgeführt.

In drei Konzerten innerhalb einer Woche erkundet Goerne die Gefühlswelt des früh gestorbenen Komponisten, der schon im Alter von knapp 30Jahren in der Lage war, die existenziellen Fragen des Menschseins in Töne zu fassen. Gemeinsam mit Christoph Eschenbach beleuchtet er den Zyklus der „Schönen Müllerin“ bei der Schubertiade im Internationalen Musikfest (26.5.) aus einer ganz eigenen Perspektive: Matthias Goerne zeigt den Müllersburschen als tragische Figur, die aus der Verliebtheit in die Katastrophe steuert. Dagegen sieht er am Ende der „Winterreise“ (2.6.) durchaus einen Hoffnungsschimmer. Beim „Schwanengesang“ (28.5.) hat er Piotr Anderszewski an der Seite. Der polnische Pianist ergänzt das Programm mit Schuberts c-Moll-Sonate, die das Lebensmotiv des Wanderns aufgreift und in himmlische Dimensionen führt.

Matthias Goerne singt Schubert 26.5., 28.5., 2.6., jeweils 20.00, Laeiszhalle. Karten zu 8,- bis 48,- unter T. 35766666