Grandiose Gegenwartsoper: „Bluthaus“ von G.F. Haas

Die Opern des österreichischen Komponisten Georg Friedrich Haas sind Probebohrungen in die Abgründe der menschlichen Psyche. Sie tragen Titel wie „Nacht“, „Die schöne Wunde“ oder „Melancholia“; Haas’ jüngste Oper „Thomas“ schildert ebenso detailliert wie einfühlsam den Tod in der sterilen Atmosphäre einer Intensivstation.

Das Paradebeispiel für Haas’ kunstvolle Erforschung des Nächtlichen und Morbiden aber ist seine 2011 uraufgeführte Oper „Bluthaus“. Hier griffen der Komponist und sein Textdichter Händl Klaus zu einem Zeitpunkt, als die Fälle Kampusch und Fritzl noch frisch in Erinnerung waren, das Thema Missbrauch und Inzest auf.

Geschildert wird in „Bluthaus“ die Geschichte der jungen Studentin Nadja, die das Haus ihrer jüngst verstorbenen Eltern zum Verkauf anbietet. Es ist ein architektonisches Juwel, die Wände sind frisch gestrichen und blendend weiß, der Garten riesig. Die Interessenten, die sich nach und nach einstellen, zeigen sich zunächst sehr angetan, bis Nachbarn die Vorgeschichte des „Bluthauses“ ausplaudern. Nadjas Mutter hatte hier mit einem Messer zuerst den Vater erstochen und dann sich selbst; man vermutet, „weil Nadja ihrem Vater wohl zu nahe stand“. Schaudernd ergreifen alle Kaufwilligen die Flucht, und Nadja bleibt eingeschlossen in ihre Erinnerungen im „Bluthaus“ zurück.

Was klingt wie eine Schauermär aus der Boulevardpresse, wird von Händl Klaus und Haas fernab von jedem Voyeurismus in feinen Andeutungen und Zwischentönen erzählt. Ihr „Bluthaus“ hat mehr als nur einen doppelten Boden. Für die bedrückendsten Momente des Textes schreibt Haas gar eine überwältigend sinnliche und harmonische Musik, in der das Schöne und das Schreckliche nicht zu trennen sind.

Nach der Uraufführung 2011 in Schwetzingen revidierte Haas seine Oper grundlegend. Die Neufassung kommt nun in einer Kooperation der Elbphilharmonie mit den Wiener Festwochen im Theater an der Wien und auf Kampnagel heraus. Um die Wiener Inszenierung auch auf Kampnagel realisieren zu können, hat Regisseur Peter Mussbach sich etwas Besonderes einfallen lassen. Der Filmfan Mussbach verwandelt „Bluthaus“ quasi in einen Stummfilm mit Live-Musik-Begleitung: Die Sänger und das Klangforum Wien werden konzertant vor einer großen Leinwand agieren, auf die ein Mitschnitt der Wiener Aufführung projiziert wird.

„Bluthaus“, 6. / 7. Juni, 20.00, Kampnagel K6, Karten zu 15,- bis 35,- unter T. 35 76 66 66