Das Familienleben mit einem Facharzt für Anästhesie ist nicht immer einfach

Mein Vater ist zuallererst einmal ein ganz normaler Vater. Wie viele andere Väter arbeitet auch mein Vater viel. Deswegen kann er nicht immer für mich da sein, wenn ich ihn brauche. Aber das ist ja leider auch ganz normal.

Nicht alltäglich dagegen ist die Tatsache, dass er während seiner Arbeit jeden Tag mit Leben und Tod zu tun hat. Das ist aber nun mal so, wenn man Notarzt und Facharzt für Anästhesie ist. Natürlich ist es für ihn nicht einfach, denn er kann nicht bei jedem Einsatz alle Menschen retten, die schwer erkrankt oder verunglückt sind. Manchmal kommt er auch zu spät.

Deswegen ist es auch hin und wieder nicht leicht, einen Notarzt als Vater zu haben. Nach einem Tag, an dem er einen Menschen nicht retten konnte, ist es fast unmöglich für ihn, einfach zu seiner Familie zu fahren und den Alltag zu leben. Das kriegt man als Sohn mit, und das ist meistens nicht schön.

Dies sind die ernsten Seiten unseres Familienlebens. Aber es gibt auch viele schöne Seiten. Für ein kleines Kind ist es super, wenn der Vater bei der Feuerwehr arbeitet, denn in dieser Zeit wollen eigentlich alle Jungen Feuerwehrmann oder Polizist werden. Und wenn man dann selbst als Knirps mit einem echten Feuerwehrhelm in den Kindergarten geht, ist das ein sehr erhabenes Gefühl. Der Feuerwehrhelm ist für einen Jungen im Alter von vier Jahren das, was für viele Männer mit 30 der Porsche ist.

Als ich in den Kindergarten ging, war ich auch begeistert davon, mit meinem Vater auf Feuerwehrfeste zu gehen. Außerdem durfte ich, als ich älter wurde, bei den Feuerwehrübungen der Feuerwehrakademie den Verletzten mimen. So habe ich eine Art leichte Version der Ersthelferausbildung erhalten. Da sieht man zwar gruselig geschminkt aus, aber das macht Spaß und man kann sich viel besser vorstellen, wie ein Einsatz abläuft und was der Vater bei der Arbeit macht.

Dann gibt es noch die interessanten Seiten. Zum Beispiel, wenn mein Vater Rufdienst hat – was ziemlich oft der Fall ist – und wir in dem Moment unterwegs sind, dann muss alles richtig schnell gehen: Mein Vater muss zum Einsatz. In dem Fall bin ich auf mich gestellt und muss dann sehen, wie ich zu den Großeltern oder allein nach Hause komme. Das ist eigentlich nicht so schön, aber ich habe gelernt, auf mich aufzupassen. Manchmal steht einen Tag später über den Einsatz etwas in der Zeitung. Darauf bin ich dann schon stolz.

Einen Einsatz empfand mein Vater allerdings als ganz schlimm. Da wurde er zu einem verletzten Kind in eine Sporthalle gerufen. Dieses Kind war ich – sein Sohn.

Alles in allem finde ich den Beruf meines Vaters sehr viel spannender als einen irgendeinen Bürojob.