Illustratorin Birgit Schössow lernte ihr Handwerk an der Fachhochschule für Gestaltung und schaffte es auf die Titel von „The New Yorker“. Ihr Tipp an den Nachwuchs: experimentieren und ausprobieren

Birgit Schössow hat es geschafft. Dreimal entschied sich das weltbekannte US-Magazin „The New Yorker“ 2013 für ihre Zeichnungen. Zwar war die Illustratorin schon vorher gut im Geschäft, illustrierte Kinder- und Jugendbücher und arbeitete für Fernsehen und Werbung, doch mit ihrer Gestaltung der „New Yorker“-Titel reihte sie sich ein in die Riege illustrer Künstler wie Art Spiegelmann, David Hockney oder Jean-Jacques Sempé.

Wie hat sie das geschafft? Ihr Handwerk lernte die 50-Jährige an der Fachhochschule für Gestaltung, heute HAW Hamburg, Department Design. Nach dem Studium arbeitete sie als freie Illustratorin und daneben festangestellt in der Grafikabteilung des NDR; wagte dann aber bald den Sprung in die gänzliche Selbstständigkeit, weil sie das Künstlerisch-Freie lockte. Es klappte: In all den Jahren konnte sie von ihrer Arbeit leben, was auf dem Markt nicht unbedingt die Regel ist. „Klinkenputzen gehört auch zum Geschäft, vor allem auf den Buchmessen. Und das kostet manchmal Überwindung, da man ja sonst eigentlich eher im Stillen arbeitet“, sagt sie. Eine Alternative wäre ein Agent, aber das ist nichts für Schössow. „Ich repräsentiere mich und meine Arbeit lieber selbst. Das bedeutet aber, dass man neben dem Kreativen auch die Rolle des Managers übernimmt, der wirbt, Verträge prüft, die Buchhaltung macht.“

Bei Kinderbüchern wünschen sich die Verlage oft große Augen

Doch im Zentrum steht natürlich das Künstlerisch-Kreative, betont sie – und das macht ihr einfach unheimlich viel Spaß. „Ich arbeite zunächst nur für mich. Das dabei Entstandene bildet neben Auftragsentwürfen ein Portfolio, das einen Überblick über meinen Stil und die Herangehensweise widerspiegelt und dem Kunden einen Einblick in meine Arbeitsweise gibt.“ Ein Thema ist für Schössow eine Art Gerüst, das ihr dazu dient, sich spielerisch zum Kern vorzuarbeiten, immer auf der Suche nach einem neuen Weg der Umsetzung. „Man sollte zuhören können. Durch Querdenken findet sich meistens eine originelle und passende Lösung.“ Die Herausforderung liege stets darin, den Leser auf den ersten Blick einzufangen und in die Geschichte zu ziehen. „Bei Kinderbüchern wünschen sich Verlage dabei oft große Augen und lächelnde Gesichter – in der Annahme, dass das Kindern und Eltern gefällt.“ Auch habe der Vertrieb heute ein gewichtiges Wort mitzureden, und Verlage seien vorsichtiger geworden, weniger experimentierfreudig. Leicht werde man da auf einen erfolgreichen Strich festgelegt.

Das ist bei der Arbeit für den „New Yorker“ anders. Im Internet war Schössow 2012 auf eine Website von Françoise Mouly gestoßen. Die Art-Direktorin des „New Yorker“ bat damals im Umfeld einer Buchveröffentlichung um wöchentliche Cover-Vorschläge zu wechselnden Themen. „Die Seite hatte sich zu einer regelrechten Spielwiese für Illustratoren entwickelt, die hier ihrer Kreativität freien Lauf ließen.“ Dieses Herumexperimentieren mit Themen und Ideen auch abseits vom ,erfolgreichen Strich‘ sei ungeheuer wichtig, ist Schössow überzeugt. „Die Schere im Kopf ist ganz einfach Gift für ein gutes Ergebnis. Das immerwährende Ausprobieren, Zeichnen und neue Wege (er)finden macht doch den Beruf des Illustrators aus.“

Dem „New Yorker“ jedenfalls gefielen Schössows Arbeiten, man entschied sich für ein Wintermotiv: Ein Skifahrer fährt eine Piste hinab und reißt dabei die Seite auf, sodass der Heftinnenteil zum Vorschein kommt. „Als der Anruf aus Amerika kam, hab ich vor lauter Überraschung fast mein ganzes Englisch vergessen“, sagt sie lachend.

Das scheint den Amerikanern nichts ausgemacht zu haben. Nachdem ihr Skifahrer im Februar den Titel „aufriss“, folgten im Mai ein opulentes Modemotiv und im Juni eine Arbeit zum Thema „Film Noir“. „Ich erhielt eine Mail mit der Bitte, mir zu diesem Thema etwas einfallen zu lassen“, erzählt sie. Um sich in passende Stimmung zu versetzen, hörte sie beim Arbeiten Miles Davis und Aretha Franklin.

Überhaupt klingt es sehr gemütlich, wenn Schössow beschreibt, wie sie ihre Themen angeht. „Mir kommen neue Ideen oft beim Herumlümmeln auf dem Sofa oder morgens im Bett. Da kommt meine Katze dazu, und erste Bilder entwickeln sich. Mein Mann ist meist die erste Person, die die Arbeiten zu sehen bekommt – und auch mein erster Kritiker, wenn es etwa darum geht, dass eine Idee zwar gut ist, für den Betrachter aber nicht verständlich herüberkommt.“

Die zündende Idee ist jedoch nur der Anfang. Das Ausarbeiten und Feilen am Computer mache dann den Großteil der Arbeit aus – und erfordert immer wieder Investitionen in neue Technik. Andererseits eröffnet die technische Entwicklung auch gestalterisch neue Räume.

„Ein digitales Bilderbuch zum Beispiel, das technisch neue Wege geht – aber vor lauter prima neuer Möglichkeiten nicht den Inhalt aus den Augen verliert. Denn letztlich geht es darum, eine gute Geschichte zu erzählen (auch bei Covern) – und das war schon am Lagerfeuer vor Tausenden von Jahren so“, sagt Birgit Schössow.