Sie kommt, er geht: Professorin Jacqueline Otten folgt am 1. März auf Professor Michael Stawicki als Präsidentin der HAW. Marlies Fischer hat mit beiden über Neuanfang und Abschied, Pläne und Vorhaben gesprochen

Hamburger Abendblatt:

Frau Otten, 1991 waren Sie die jüngste Professorin Hamburgs an der HAW Hamburg, damals noch Fachhochschule Hamburg. Jetzt kehren Sie zurück und werden Präsidentin der Hochschule. Was reizt Sie an der Aufgabe?

Jacqueline Otten:

Besonders reizvoll an der HAW ist die Breite der Fachgebiete. Alle Fragenstellungen und Themen dieser Gesellschaft werden berührt, zum Beispiel Ingenieurswesen, Maschinenbau, soziale Arbeit. Die vier Fakultäten und rund 18 Departments arbeiten themenorientiert zusammen. Diese Reform wurde vor neun Jahren vollzogen, das war mutig. Mein Fachbereich hieß ursprünglich Gestaltung, jetzt ist er Teil der Fakultät Design, Medien und Information. Das ist nicht einfach nur ein Label, alle Bereiche arbeiten zusammen.

Schließt sich mit Ihrer Rückkehr ein Kreis für Sie?

Otten:

Ja. Aber ich hatte es so nicht geplant. Als ich die Stellenausschreibung gesehen habe, wurde eine Rückkehr nach Hamburg plötzlich ein Thema. Ich hänge sehr an der Stadt, wollte auch aus privaten Gründen gerne zurück. Ich bin zwar Niederländerin und habe viel international gearbeitet, aber Hamburg ist mein Heimathafen.

Sie sind Professorin für Modedesign und Trendforscherin. Wie sehen Sie die Zukunft der Wissenschaft in Hamburg?

Otten:

Es geht darum, wie Hochschulen künftig aufgestellt sind. Wie und wo positioniert sich die HAW, und wofür werde ich mich einsetzen – diese Fragen werden mich beschäftigen. Wissenschaftliche Disziplinen werden zusammengeführt, wir wollen Impulse geben für Wirtschaft und Gesellschaft sowie in Lehre und Forschung weit vorne sein. Eine Hochschule muss heute agil sein, weil Gesellschaft und Technologien sich sehr schnell verändern.

Stawicki:

Olaf Scholz hat als Kandidat vor der Wahl 2011 und als Bürgermeister in der Regierung immer auf die Schuldenbremse 2020 verwiesen, sodass klar war, dass die Finanzierung der Hochschulen gedeckelt sein werden. Im Vergleich zu anderen Bundesländern haben wir aber Planungssicherheit bis 2020. Im Moment leben wir von dem Geld aus dem Hochschulpakt des Bundes, haben einen guten Puffer und leiden nicht unter Geldsorgen. Deshalb können wir pro Jahr 900 Studienanfänger mehr aufnehmen, als die Stadt fördern könnte.

Sie waren rund zehn Jahre Präsident. Wie sieht Ihre Bilanz aus?

Stawicki:

Als ich 2004 kam, war die Hochschule zerrissen und ein bisschen orientierungslos. Durch die Strukturreform und neues Personal haben wir das aufgelöst. Heute haben die 1100 Bediensteten und die Studierenden Lust, miteinander zu arbeiten und etwas voranzubringen. Viele und auch ich sind stolz auf die HAW.

Wie schwer fällt Ihnen der Abschied?

Stawicki:

Ich habe noch nicht drüber nachdenken mögen. Der 1.März ist ein Sonnabend, von daher müsste ich ohnehin nicht ins Büro. Neu wird es dann an dem folgenden Montag. Zehn Jahre sind eben eine lange Zeit, es wird vielleicht Entzugserscheinungen geben.

Wie groß sind die Schuhe, die Professor Stawicki hinterlässt?

Otten:

Sie haben schon eine ordentliche Größe. Was schreibt man fort, was macht man anders – darüber denke ich nach. Für meine Entscheidung für die HAW war wichtig, dass es aus der Hochschule und von meinem Vorgänger sehr deutliche Signale gab, dass sie mich unterstützen. Viele haben mir gesagt, dass sie sich freuen, wenn ich an die HAW komme, und schon ihre Projekte angekündigt. Das finde ich ganz toll.

Stawicki:

Einige Weichen sind gestellt, aber es gibt noch sehr viel zu tun. In den 20er-Jahren werden wir nicht mehr so viele Studienanfänger haben. Gleichzeitig wird die Weiterbildung von Externen – Stichwort lebenslanges Lernen – immer wichtiger. Wir haben Kooperationen mit Valencia, Shanghai und einer schottischen Uni, aber die HAW muss internationaler werden. Da passt Frau Otten mit ihrer Vita sehr gut hinein. Und schließlich ist ein Neubau am Berliner Tor als Ersatz für das E-Hochhaus fällig. Zurzeit wird gerade der Flächenbedarf ermittelt.

Die HAW ist mit 400 Professoren und rund 16.000 Studierenden eine der größten deutschen Fachhochschulen. Welche Schwerpunkte werden Sie dort setzen?

Otten:

Wirtschaft und Gesellschaft verlangen ein schnelles Handeln von uns und dass wir sagen, wo es längsgeht. Wir dürfen nicht warten, bis jemand bei uns Bedarf anmeldet. Nehmen wir den Bereich Medien. Was ist Online, was ist Print, wie verändert sich der Journalismus, wie bietet man Themen an, wie verdient man damit Geld, wie kommuniziert man? Diese Fragen können nur multi-disziplinäre Teams beantworten. Und die findet man an der HAW an den verschiedenen Standorten wie Bergedorf, Finkenau oder Berliner Tor. In einigen Bereichen werden wir unser Profil in der Forschung schärfen müssen. Und der geplante Neubau am Berliner Tor wird auch Spaß machen.

Sie haben einmal gesagt, dass kreative Prozesse hin und wieder Ruhe brauchen. Wie optimistisch sind Sie für die HAW in dieser Hinsicht?

Otten:

Eine Hochschule muss ein Ort des Experimentierens sein, es muss Freiräume geben zum Innehalten und Nachdenken. Und es darf auch mal etwas schiefgehen. Das muss man den Lehrenden, die sich in ihren Fachgebieten weiterentwickeln sollen, auch zugestehen. Als Führungskraft muss ich aber auch rechtzeitig auf die Prozesse schauen.

Sie sind Niederländerin, haben in Japan promoviert, in Weimar, Paris und Zürich gelehrt. Wie international finden Sie Hamburg?

Otten:

Sehr international. Da hat sich die Stadt auch verändert und geöffnet. Anfang der 80er-Jahre fehlten mir sichtbar die Ausländer. Die Entwicklungen in Europa haben auch in Hamburg Spuren hinterlassen, wir haben viele ausländische Kollegen und Studierende. Hamburg hat einen fantastischen Ruf im Ausland, viele Menschen möchten hier gern leben und arbeiten.

Stawicki:

Die HAW arbeitet in einem Konsortium zusammen mit den Universitäten in Turku, Utrecht, Manchester und Valencia. Außerdem haben wir gute Kontakte in die USA und nach Brasilien. Das sind alles gute Voraussetzungen für Austausch und Vernetzung. Aber Hamburg ist für viele Studierende einfach zu teuer. Deshalb appelliere ich an die Politik, beim Wohnungsbau für Familien die Schaffung von studentischen Wohnraum nicht zu vergessen.

Mathematik, effiziente Hochschulführung, modernes Bildungsmanagement sind bisher ihr Aufgabengebiet. Was werden Sie künftig tun?

Ausschlafen, aufräumen, endlich all die Bücher von modernen deutschen, englischen und französischen Autoren lesen, die ich schon gekauft habe. In der Mathematik will ich mich um das Thema Kryptografie, also Verschlüsselung kümmern. Und auch das Interesse für Hochschulpolitik wird nicht nachlassen, ich werde mich sicher noch ab und an zu Wort melden. Aber die Verantwortung für die HAW liegt jetzt bei meiner Nachfolgerin.

Otten:

Die Aufgaben meines Vorgängers hören nicht am 1.März abrupt auf. Ab und an werde ich ihn natürlich um Rat fragen und sein Wissen gerne nutzen wollen.

Ist Hamburg gut zu Ihnen – haben Sie eine Wohnung gefunden, in der Sie genügend Platz für Ihre Schuh-Sammlung haben?

Otten:

Ich habe viele Einbauschränke, in die aber auch die Schuhe meines Mannes passen müssen. Wir teilen diese Leidenschaft. Ansonsten bin ich dabei, anzukommen, und mich an veränderte Bus- und U-Bahn-Linien zu gewöhnen. Und ich habe mir vorgenommen, beruflich den Standort nicht mehr zu wechseln.