Frank Hofmann liebte das Leben auf der Überholspur. Er war lange Atheist, bis er seine Spiritualität durch das Joggen entdeckte. Inzwischen ist er Kirchenmitglied und ab Januar Chefredakteur beim ökumenischen Verein Andere Zeiten

Bei Frank Hofmann drehte sich einst alles um Autos und PS. Er liebte seinen Porsche, das zeitlos schöne Design der Luxuskarossen. Er schrieb darüber Texte und entschied als Ressortleiter bei den Zeitschriften „Stern“ und „auto motor sport“, was auf seine Seiten ins Blatt kam.

Er liebte dieses Leben, und zwar mit Leidenschaft und Akribie. Denn alles, was der promovierte Philosoph und Journalist anfing, vollendete er mit Sorgfalt und Perfektion. Eines Tages aber stellte sich bei ihm das Gefühl ein, dass er als Chefredakteur von „Runners World“ den Zenit seiner journalistischen Karriere erreicht hat. Danach muss es doch weitergehen – oder? Mit etwas, das Sinn und neue Perspektiven vermittelt?

Frank Hofmann, 51, verheiratet und Vater einer dreijährigen Tochter, sitzt auf einer Bank in der Christianskirche Ottensen, in deren Nähe er wohnt. Noch häufiger als hier ist er in der Hauptkirche St. Petri anzutreffen, zu deren Gemeinde er seit Kurzem gehört. Die beiden Gotteshäuser – sie zeigen, wie der Lebensweg des Hamburger Publizisten weiter verlaufen ist: weg von der Autobahn mit schnellen Wagen. Dafür hin – ja, wohin eigentlich?

Die Antwort „In den Schoß der Kirche“ wäre für einen wie Hofmann zu kurz gegriffen. Auch dass er ab Januar als Chefredakteur den renommierten ökumenischen Verein Andere Zeiten mit Sitz in der Fischers Allee in Hamburg leitet, ist lediglich die äußere Form einer langen inneren religiösen Entwicklung. Und die hat ganz viel – wie kann es bei einem früheren Motorjournalisten auch anders sein – mit Geschwindigkeit zu tun. Diesmal allerdings unter dem Einsatz eigener Muskelkraft.

Wer diese Entwicklung bei Frank Hofmann beobachten will, sollte morgens früh aufstehen. Jeden Tag um sechs Uhr verlässt er seine Wohnung in Ottensen und beginnt zu laufen. Er rennt bei Puls 160 am Elbufer entlang. Auch wenn es noch dunkel ist und regnet, joggt er die Strecke vom Augustinum Richtung Blankenese und wieder zurück. Insgesamt eine Stunde lang. „Nur bei Glatteis laufe ich nicht“, sagt er und fügt hinzu: „Die schönen Gefühle stellen sich erst nach einer halben Stunde ein. Man fühlt sich danach komplett erneuert.“

Die fromme Kindheit im Rheinland empfand Frank Hofmann belastend

Frank Hofmann ist ein schlanker Mann mit wachen Augen und einer Brille, die einen Intellektuellen durchblicken lässt. Sein Gesichtsausdruck und die kleinen Falten in der Mundpartie verraten, dass er bis an die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit gehen kann. Zum Beispiel beim Marathon. Wie in Jerusalem 2011, als er gemeinsam mit einer Jüdin und einem Moslem an den Start ging.

Es ist morgens, sechs Uhr. Über der Elbe liegt Dunst, in dem schemenhaft die Umrisse eines Containerriesens zu erkennen sind. Das leichte Dröhnen der Schiffsmotoren und Hafenkräne hört Frank Hofmann allerdings nicht. Er läuft und läuft und trägt dabei kleine Kopfhörer im Ohr.

Der Mann will allein sein mit sich und seiner Welt. Heute hört er Orgelmusik von Johann Sebastian Bach. Vielleicht betet er auch. Denn immerhin handelt es sich bei dieser Art der Fortbewegung um „Spirituelles Laufen“. So nennt er jedenfalls seine ganz persönliche Religiosität, die er auch als Kurs für Interessenten anbietet. „Laufen“, sagt er, „ist der Anfang meiner Gebetspraxis gewesen.“

Früher hätte Frank Hofmann, Kind neuapostolischer Eltern, niemals so gesprochen. Beten? Bibel lesen? Ad acta gelegt! An Gott glauben? Atheist geworden! „Ich habe meine fromme Kindheit im Rheinland als belastend empfunden“, erinnert er sich. „Die Antworten auf meine Fragen empfand ich damals als unbefriedigend.“

Hofmann wurde Atheist und studierte Philosophie, promovierte über das Thema „Was ist Wahrheit?“. Eine wissenschaftliche Arbeit, die diese Kategorie aus rein sprachlicher Perspektive reflektierte, auf höchstem Abstraktionsgrad eben. Gebetet hat Frank Hofmann in all den Jahren selbstverständlich nicht – spätestens seitdem er als Schüler feststellen musste, dass seine Klassenarbeiten auch ohne vorheriges Gebet Bestnoten erzielten. Wozu braucht man dann noch Gott?

Hofmann setzte ganz auf die Kraft der Vernunft und die Faszination von PS-starken Autos. Bis er seine Frau kennenlernte, eine Christin. Und bis er Margot Käßmann, die frühere EKDRatsvorsitzende, als Journalist interviewte. Die heutige EKD-Lutherbotschafterin war schon damals passionierte Läuferin und wusste beides – Glauben und Laufen – miteinander zu verknüpfen. „Frau Käßmann hat bei mir die Perspektive eröffnet, dass Religion und Laufen zusammengehören können“, sagt Frank Hofmann. Und betont: „Ich bete immer beim Laufen ein Vaterunser und höre danach gern geistliche Musik. Durch das Laufen habe ich schneller wieder zu Gott gefunden als durch die Institution Kirche.“

Er erkannte, dass Vernunft und Glaube einander nicht ausschließen

In dieser täglichen Stunde an den Gestaden der Elbe kann Frank Hofmann seine Gedanken ordnen und beten. „Es gibt übrigens eine interessante Studie der Sporthochschule Köln. Die Forscher haben Menschen beim Beten und Laufen untersucht und festgestellt: Beim Beten laufen ähnliche mentale Prozesse ab wie beim Laufen“, sagt er. Es liege also nahe, beides miteinander zu verbinden. Nicht von ungefähr lautet sein Lebensmotto, gut biblisch: Naht euch zu Gott, so naht er sich zu euch.

Am Ende war es dann Sören Kierkegaard, der große dänische Existenz-Philosoph, der ihm auf den großen Sprung half. Bei diesem Denker lernte Frank Hofmann, dass Vernunft und Glaube einander nicht ausschließen müssen. „Und ich lernte, dass Glaube letztlich ein Sprung vom Nachdenken ins Vertrauen ist.“

Nun also ist der Hamburger Philosoph und Publizist nicht mehr Atheist, sondern Christ und Kirchenmitglied. Beruflich prägt er künftig die Geschicke des Hamburger Vereins Andere Zeiten, der jedes Jahr mit seinem Adventskalender einen Beststeller landet. Als spiritueller Läufer wird er weiter sich in Achtsamkeit üben für die Möglichkeiten des Lebens. Und als Intellektueller den kritischen Diskurs über Wahrheit und Wahrhaftigkeit suchen. Deshalb absolviert er an der Universität Marburg zurzeit ein Theologie-Fernstudium.