Herbert Diercks war noch Schüler, als er dem ehemaligen Neuengamme-Häftling Fritz Bringmann zum ersten Mal begegnete. Er hat der Lebens- und Überlebensgeschichte dieses Mannes zugehört, der schon als 17-Jähriger verhaftet wurde und insgesamt zehn Jahre in Konzentrationslagern verbringen musste. Diese Begegnung war prägend für den Gymnasiasten, der nicht akzeptieren mochte, dass Menschen wie Bringmann kaum Gehör fanden. „Es kann doch nicht sein, dass diese Schicksale vergessen werden“, meinte Diercks, der sich nach dem Abitur Anfang der 1970er-Jahre zum Geschichtsstudium an der Hamburg Uni entschloss.

Als er vor mehr als 30 Jahren zum ersten Mal nach Neuengamme kam, gab es fast nichts, was an die grausame Geschichte dieses Ortes erinnerte. Kaum vorstellbar, dass ausgerechnet dort, wo die Nationalsozialisten etwa 100.000 Menschen aus halb Europa gefangen gehalten und gequält und mehr als 50.000 von ihnen ermordet hatten, in der Nachkriegszeit eine Justizvollzugsanstalt errichtet wurde, die bis vor wenigen Jahren noch in Betrieb war.

Herbert Diercks ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter der KZ-Gedenkstätte für Forschung und Vermittlung zuständig. Für ihn heißt das vor allem, die Spuren der Vergangenheit wieder sichtbar werden zu lassen und den Opfern ein Gesicht und eine Stimme zu geben. Er hat zahlreiche Ausstellungen konzipiert, zum Beispiel mehrere Dokumentationen, die jährlich anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus Ende Januar in der Hamburger Rathausdiele gezeigt werden. Wenn er gefragt wird, wie man es aushalten kann, sich ein Berufsleben lang mit den Verbrechen des Nationalsozialismus zu beschäftigen, erzählt Diercks von seinen Begegnungen mit den ehemaligen Zwangsarbeitern. „Anfang der 1990er-Jahre bekamen wir zahlreiche Briefe von Menschen aus der Ukraine, die ihre Haftzeit bestätigt haben wollten, um Ansprüche auf Entschädigung stellen zu können“, erzählt Dierks.

Da die SS alle Unterlagen vernichtet hatte, war das für die Gedenkstätten-Mitarbeiter eine Herausforderung. „Auf der Grundlage der Informationen der ehemaligen Häftlinge haben wir die Umstände zu klären versucht und am Ende Plausibilitätsgutachten ausgestellt“, sagt der Historiker, der vielen der ehemaligen Häftlinge auch persönlich begegnet ist. „Die Entschädigungssummen, die sie für das in Neuengamme erlittene Unrecht schließlich bekamen, wirken für uns beschämend gering, für die betroffenen, meist in Armut lebenden Menschen war es dennoch eine große Hilfe“, sagt Herbert Diercks, der von der Herzlichkeit der Menschen, denen er in der Ukraine und auch in Neuengamme mehrfach begegnete, tief berührt ist.

„Euthanasie“. Die Morde an Menschen mit Behinderungen, 17.1. - 7.2.2014; Rathausdiele. Mo–Fr 10.00–18.00, Sa/So 10.00–13.00 www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de

Herbert Diercks hat zahlreiche Ausstellungen konzipiert, zum Beispiel die Dokumentationen, die anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus in der Hamburger Rathausdiele gezeigt werden. Diesmal geht es um das Thema „Euthanasie“.