Frauen zeigen Haltung in Kunst, Wissenschaft und in der Arbeitswelt. Viele von ihnen stehen im Zentrum Hamburger Ausstellungen.

Heute gilt das lange als schwach unterschätzte Geschlecht vielfach als das starke. Frauen haben – zumindest in der westlichen Welt – politische und rechtliche Gleichstellung und ihre sexuelle Selbstbestimmung erkämpft. Sie arbeiten in der Wissenschaft und zunehmend auch in Führungsetagen. Charles Fourier (1772–1837), Pate der Emanzipationsbewegung, brachte es auf den Punkt: „Der soziale Fortschritt (...) erfolgt aufgrund der Fortschritte in der Befreiung der Frau.“ Frauen behaupten sich auch in der Kunst, in der lange Zeit männliche Vertreter das Sagen hatten und der männliche Blick regierte.

Das trifft bis heute auf das Gros der Inszenierungen der Frau in der Modefotografie zu. Die Arbeiten von Guy Bourdin (1928–1991), dem die Deichtorhallen eine große Werkschau widmen, kehrten, erst in den Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus den 1950er-Jahren, später in leuchtenden Farbbildern, das Fragmentarische und Empörende hervor. Dafür ließ der mitleidlose Exzentriker seine Models schon mal von Hunden beißen oder kettete sie an. Jene, die sich nicht einschüchtern ließen, wurden bei ihm zu Überlebenden im Dienste der Kunst. Die morbiden, gleichwohl ästhetisch visionären Fantasien des Fotografen, der berühmt wurde mit Arbeiten für die französische „Vogue“, bedienen auf den ersten Blick einen vordergründigen, dem Hochglanz der Oberfläche verfallenen Blick auf den weiblichen Körper, dabei sind es höchst hintergründige Inszenierungen, aufgeladen mit Eros und Tod in der Nachfolge des Symbolismus des 19. Jahrhunderts.

Bis heute bestimmen sie mit ihren narrativen Bildinhalten die Werbe- und Modefotografie. Den größten Humor bewies Bourdin, wenn er die Frau in Ausschnitten präsentierte, Beine am Schiffsrumpf, eine Augenpartie aus einem Regenschirmwald hervorlugend. Lippen und Geschmeide. In seinen Bildern verarbeitete er die Psychodramen seines Lebens. Nie verzieh er seiner Mutter, dass sie ihn früh verließ. Seine gesamte Fotokunst liest sich wie eine Rache an den Frauen. Gleichzeitig schauen sie einen selbstbewusst und autark aus seinen Bildern an. Seine Bildsprache inspirierte eine andere starke Frau: Popsängerin Madonna.

Das Leben des Exzentrikers Guy Bourdin war vom Freitod seiner Frau und einer weiteren Partnerin überschattet. Eine andere Künstlerin, die aus ihren Traumata eigene Stärke gewann, war Eva Hesse (1936–1970), der die Galerie der Gegenwart mit „One More Than One“ eine große Schau widmet. Fast alle Familienangehörigen der deutsch-jüdischen Künstlerin und gebürtigen Hamburgerin kamen in Konzentrationslagern ums Leben. Ihre Mutter wählt den Freitod, als Eva zehn Jahre alt ist. Nach dem Judenpogrom 1946 findet sie in New York Zuflucht im Studium von Zeichnen und Malerei. Die Gegenpole Zerstörung und Harmonie werden zum roten Faden ihres künstlerischen Schaffens. Erst in ihren frühen Zeichnungen, später in ihren skulpturalen Formexperimenten. Den Minimalismus der 1960er-Jahre lud sie mit Emotion und Sinnlichkeit auf. Die Reduktion verband sie stets mit neuartigen Materialien wie Fiberglas und Latex, später kommen Naturkautschuk, Glasfaser und Polyester hinzu. Materialien, in denen sich Transparenz und Vergänglichkeit ausdrücken. Eine Ausnahmebegabung ihrer Zeit, erliegt Eva Hesse mit 34 Jahren einem Gehirntumor. Die erste Werkschau in ihrer Heimatstadt konzentriert sich auf ihr produktives Spätwerk.

In den Freiräumen künstlerischen Schaffens konnten sich Frauen früher ausleben als etwa in der Wissenschaft. Eine starke Frau, die sich hier behauptet hat, ist die Meeresforscherin Elisabeth Mann Borgese (1918–2002). Die jüngste Tochter des Schriftstellers Thomas Mann sprach als einzige der sechs Kinder von einer glücklichen, liebevollen Kindheit. Zehn Jahre nach ihrem Tod erinnert das Konsortium Deutsche Meeresforschung auf Deck 7 im Internationalen Maritimen Museum Hamburg an diese ungewöhnliche Frau. An Hörstationen ist Elisabeth Mann Borgese zu vernehmen – sie spricht auch davon, wie sehr ihr Vater das Meer und seine Motivwelt zum Leben gebraucht habe. „Und dann standen wir auf einmal am Meer und schauten ganz benommen in die Ferne... ,Das ist der Horizont‘, erklärte mein Vater. Und was kommt hinter dem Horizont?“, fragte seine wissbegierige Tochter. Das Meer wurde ihr Lebensinhalt. Mann Borgese war nicht nur eine Wissenschaftlerin, sondern auch eine frühe Umweltschützerin, die ihr Wirken dem Schutz und der Erforschung der Ozeane im Sinne einer gerechteren Welt widmete. Die ausgebildete Konzertpianistin und Kosmopolitin besaß vier Staatsbürgerschaften, war Mitbegründerin des Club of Rome, des International Ocean Institute und Delegierte bei der UN-Seerechtskonferenz, die maßgeblich das Internationale Seerechts-Übereinkommen von 1982 mitbestimmte.

Erst ab 1909 war es Frauen in Preußen überhaupt möglich, sich für ein Vollstudium an einer Universität einzuschreiben. Das Recht zu habilitieren erhielten sie erst 1919. Zu einer Zeit, in der Frauen das offizielle Studium an einer Universität verwehrt blieb, gelang es Johanna Mestorf (1828–1909), als erste Frau in Preußen einen Honorarprofessorentitel zu erlangen. Das Archäologische Museum Hamburg beherbergt den Nachlass dieser ungewöhnlichen prähistorischen Archäologin und einer der ersten Museumsdirektorinnen in Deutschland mit bedeutenden Dokumenten und Korrespondenzen. Mestorf, geboren in Bad Bramstedt, war das vierte von neun Kindern des Arztes Jacob Heinrich Mestorf. Ausgehend von der prähistorischen Sammlung ihres früh verstorbenen Vaters, brachte sie sich ihre umfangreichen Kenntnisse in Archäologie neben ihrer Arbeit als Sekretärin im Selbststudium bei.

Nach 1863 verfasste sie Aufsätze und Artikel zur Archäologie. 1891 wurde sie Direktorin des Museums vaterländischer Alterthümer in Kiel. „Unter Johanna Mestorfs Ägide ist der Grundstock für die Erforschung der Prähistorie Schleswig-Holsteins gelegt worden“, schreibt die Prähistorikerin Eva-Maria Mertens über sie. 1899, an ihrem 71. Geburtstag verlieh ihr die Universität Kiel den Titel einer Honorarprofessorin. Forschungsschwerpunkte setzte sie in der Vorgeschichte Schleswig-Holsteins. Sie prägte Begriffe wie „Moorleiche“.

Ungewöhnliche Lebensläufe von tollen Frauen finden sich in aller Welt. In der Pazifikregion etwa gingen Ende des 19. Jahrhunderts starke Frauen individuelle Lebenswege. Als Unternehmerinnen, Politikerinnen und Botschafterinnen ihrer jeweiligen Kulturen. Eine besonders starke unter ihnen war Emma Forsayth-Coe, genannt „Queen Emma“. 1850 als Tochter einer Samoanerin und eines amerikanischen Kaufmanns in Samoa geboren, griff sie aktiv in die Machtkämpfe zwischen rivalisierenden Klans ein. Ihr erster Ehemann starb früh, und Emma zog 1878 mit ihrem neuen Geschäfts- und Lebenspartner Thomas Farrell in den Bismarck-Archipel. Dort betrieb sie mifhilfe ihrer Schwester Phoebe und deren Mann eine Kokosplantage. Bald starb auch Farrell, ebenso sein Nachfolger Agostino Stalio, und so heiratete Emma den Deutschen Paul Kolbe. 1909 veräußerte sie einen Großteil ihres Besitzes an die Hamburger Südsee AG. 1913 verstarb diese bemerkenswerte Frau, deren Leben in der Schau „Blick ins Paradies. Südsee erleben in historischen Fotografien“ im Museum für Völkerkunde dokumentiert ist, zwei Tage nach ihrem Mann auf mysteriöse Weise in Monte Carlo.

Nicht nur die Vergangenheit kennt starke Frauen, auch die Gegenwart. Von dem Pioniergeist einer „Queen Emma“ und ihrem Leben in Pracht und Fülle ist das Los der wachsenden Zahl globaler Wanderarbeiterinnen weit entfernt. In zahlreichen osteuropäischen Ländern etwa verlassen Frauen ihre Familien, um im Westen als Haushalts- oder Pflegekräfte zu arbeiten und dauerhaft die Existenz der Familie zu sichern. Häufig nehmen sie dafür in Kauf, ihre Kinder jahrelang nicht zu sehen. Ihr Schicksal dokumentiert die Ausstellung „Wanderarbeiter. Fotografien einer neuen Arbeiterklasse“, die bis Anfang März im Museum der Arbeit zu sehen ist. Für Frauen sind diese ausbeuterischen Verhältnisse ohne Arbeitsvertrag und Gesundheitsversorgung, untergebracht in erbärmlichen Unterkünften, unregelmäßig bis gar nicht bezahlt, besonders unerträglich. Sie sind die wahren Heldinnen der Gegenwart. Diese sehenswerte Ausstellung gibt ihnen ein Gesicht.

Eva Hesse. One More Than One, 29.11.2013 - 2.3.2014; Galerie der Gegenwart www.hamburgerkunsthalle.de

Elisabeth Mann. Borgese in Ocean and Sciences, dauerhaft; Internationales Maritimes Museum Hamburg www.immh.de

Nachlass Johanna Mestorf im Archäologisches Museum, dauerhaft; www.amh.de

„Blick ins Paradies. Südsee erleben in historischen Fotografien“, 15.12. - 31.8.2014; Museum für Völkerkunde Hamburg www.voelkerkundemuseum.com

Wanderarbeiter. Fotografien einer neuen Arbeiterklasse bis 26.1.2014 Museum der Arbeit www.museum-der-arbeit.de

Guy Bourdin. Retrospektive bis 26.1.2014 Haus der Photographie www.deichtorhallen.de