... und das Budapest Festival Orchestra spielt seine Neunte

Die Sehnsucht nach der guten, alten Zeit. Die morbide Schönheit. Die vielen Versatzstücke aus Walzern und Ländlern. Und natürlich der weltschmerzreiche Jahrhundertwendeton: All das zeichnet die Musik von Gustav Mahler aus – und verortet sie unverkennbar in Wien, der langjährigen Wahlheimat des Komponisten. Sehr viel weniger bekannt als Mahlers leicht masochistisch gefärbte Liebe zu Wien ist seine enge Beziehung zu Budapest, der anderen prächtigen Donaumetropole. Dort wirkte er nicht nur über zwei Jahre als Operndirektor, sondern dirigierte auch die Uraufführung seiner ersten Sinfonie im Jahr 1889.

Die war ein ziemlicher Flop – worüber wir heute fast ein bisschen dankbar sein müssen. Denn aus diesem historischen Schuldgefühl für seine Landsleute heraus legt sich Iván Fischer ganz besonders für die Musik ins Zeug. Mahler sei für ihn „fast eine Muttersprache“, hat der ungarische Dirigent einmal gesagt. Dass er sie fließend und akzentfrei beherrscht, ist mit zahlreichen Konzerten und mittlerweile auch einer ganzen Reihe von Aufnahmen belegt. Fischers Mahler-Einspielungen mit dem von ihm selbst gegründeten Budapest Festival Orchestra werden von den Rezensenten nahezu einhellig gepriesen: für ihre Transparenz und die Frische, mit der Iván Fischer die Sinfonien durchlüftet.

Die Mitglieder des Klangkörpers – der bei Umfragen regelmäßig unter die Top Ten der weltbesten Orchester gewählt wird – spielen alle mit solistischer Verantwortung, egal an welchem Pult sie sitzen. Wie beglückend so ein Zusammentreffen von kammermusikalischer Sorgfalt und spritziger Musizierlust klingen kann, war zuletzt vor drei Jahren in Hamburg zu erleben, als das Budapest Festival Orchestra mit Werken von Haydn und Strawinsky zu Gast war und das Publikum in der Laeiszhalle begeisterte.

Diesmal hat Iván Fischer Gustav Mahlers Neunte im Gepäck: Die letzte vollendete Sinfonie des Komponisten aus den Jahren 1909/10, in deren Brüchen sich knirschend der Beginn einer neuen Epoche ankündigt – am Vorabend des Ersten Weltkriegs.

Im zweiten Satz verschachtelt und verkantet Mahler verschiedene Tanzcharaktere zu einem makabren Scherzo, im Finale stimmt er einen wehmütigen Abgesang an, in dessen Verlauf sich die traditionellen Tonartenverhältnisse allmählich aufzulösen scheinen. Mit seiner visionären neunten Sinfonie hat der Komponist der Moderne den Weg geebnet. Kein Wunder also, dass Alban Berg befand, dieses Stück sei „das herrlichste, was Mahler geschrieben hat“.

Budapest Festival Orchestra, Iván Fischer 3.12., 20.00, Laeiszhalle. Karten zu 10,- bis 75,- unter T. 35766666