Im Exzellenzcluster CUI wollen Forscher die Bewegungen von Atomen, Molekülen und Elektronen beobachten – um so etwa Krankheiten besser verstehen

Als die Nachricht im vergangenen Jahr kam, ließen Präsident Dieter Lenzen und 50 Hamburger Forscher die Sektkorken knallen: Bei der Exzellenz-Initiative des Bundes war die Universität mit zwei Anträgen erfolgreich. Damit wird nicht nur das Klimaforschungsprojekt CliSAP weiter unterstützt; vielmehr wird in den nächsten fünf Jahren auch noch ein weiterer Exzellencluster 25 Millionen Euro Fördergeld erhalten: das Hamburg Centre for Ultrafast Imaging (CUI). Dessen Wissenschaftler wollen die Bewegungen von Atomen, Molekülen und Elektronen beobachten – und damit etwa zu einem besseren Verständnis von Krankheiten beitragen.

Was genau steckt dahinter? In den vergangenen Jahrzehnten haben Forscher zum Beispiel mit Röntgenstrahlen ergründet, wie sich Materie verschiedenster Art zusammensetzt, wie also Atome und Moleküle in lebenden Zellen und chemischen Verbindungen angeordnet sind. Es ist bekannt, wie unser Erbgut aufgebaut ist, wie sich Viren zusammensetzen, woraus das Blattgrün Chlorophyll besteht, welche Struktur Eis und Eisen haben. Bei diesem Wissen handelt es sich allerdings um Beschreibungen von statischen Zuständen.

Das Leben ist aber nicht statisch; biologische Prozesse basieren letztlich auf Bewegungen – Bewegungen kleinster Teilchen. Was in diesem Mikro- und Nanokosmos unter bestimmten Bedingungen geschieht, ist erst teilweise erforscht. Proteine etwa, die „Arbeitspferde“ unserer Zellen, erfüllen ihre Funktion nur optimal, wenn sie in eine spezifische dreidimensionale Form gefaltet sind. „Will man verstehen, wie ein Protein seine Aufgabe in einem Organismus verrichtet, muss man nicht nur seine Struktur kennen, sondern wissen, wie es sich bewegt, verformt und chemische Reaktionen eingehen kann“, sagt Prof. Horst Weller, Ko-Sprecher des Exzellenzclusters.

Auch technologische Prozesse basieren letztlich auf den Bewegungen kleinster Teilchen. Zum Beispiel die Art und Weise, wie sich elektrischer Strom in einem Material verhält. Große Hoffnungen sind mit Supraleitern verbunden, bestimmten Festkörpern, die Strom (also Myriaden von Elektronen) ohne Verluste leiten können. Bisher werden sie erst in wenigen Hightech-Anwendungen eingesetzt, weil sie aufwendig gekühlt werden müssen. Ein Supraleiter, der bei Raumtemperatur funktioniert, könnte viel Energie sparen – wenn man denn wüsste, wie es geht. Weller: „Nur mit dem Wissen über elementare Bewegungsprozesse kann man komplexere Funktionen der Materie verstehen und kontrollieren.“ Diese Prozesse fachlich nur aus einer Perspektive zu betrachten, wäre wenig Erfolg versprechend. Deshalb haben sich im CUI-Exzellenzcluster Forscher aus Physik, Chemie, Biologie und Medizin zusammengeschlossen. Neben der Universität Hamburg beteiligt sind das Deutsche Elektronen-Synchrotron, das European Molecular Biology Laboratory, von der European XFEL GmbH und die vor kurzem gegründete Max-Planck-Forschungsgruppe für Strukturelle Dynamik. Ein Vorteil dieser interdisziplinären Kooperation: Wichtige Instrumente – Hightech-Mikroskope, Laser, Supercomputer – sind für alle Teammitglieder nutzbar.

Alle dynamischen Prozesse, die untersucht werden sollen, hätten gemein, dass sie meist mit der sehr schnellen Bewegung von Elektronen innerhalb der Atome oder zwischen benachbarten Atomen begännen, erläutert Weller. „Derartige Prozesse lassen sich nur quantenmechanisch verstehen, und deshalb beschäftigt sich rund ein Drittel der Mitarbeiter mit Experimenten und der theoretischen Beschreibung solcher Quantensysteme.“ Neben Atomen, kleinen Molekülen und sogenannten Quantengasen würden hier auch Systeme untersucht, bei denen gleich viele Elektronen kollektiv in Bewegung gerieten, etwa bei der Supraleitung.

Ein weiterer Teil der Forscher befasse sich mit der Bewegung der Atome, die auf die Elektronenbewegung folge. „Auch hier kann man solche Prozesse im Detail an kleinen Molekülen beobachten“, sagt Weller. „Darüber hinaus ist das ambitionierte Ziel jedoch, mit dieser Kenntnis die kollektive Bewegung ganzer Molekülgruppen, etwa in einem Protein, zu verstehen.“

Im dritten Themenblock sollen die Forscher das Wissen über die Bewegung von Elektronen, Atomen und Molekülen dazu einsetzen, die Herstellung von Nanomaterialien zu verstehen. „Dabei ist der Unterschied zu den biologischen Fragestellungen nicht groß“, sagt Weller. „Nanoforscher versuchen, komplexe Strukturen und Bewegungsmotive in genau der Größe herzustellen, wie die Natur es bei Proteinen oder der DNA in perfekter Form vorgemacht hat.“