Zwei Ehemalige halten Rückschau: Julia-Niharika Sen und Torsten Hönisch

Julia-Niharika Sen moderiert das „Hamburg Journal“ und „Weltbilder“ im NDR Fernsehen, zuvor hat sie an der Universität Hamburg Anglistik und Romanistik auf höheres Lehramt studiert und 1997 mit dem Staatsexamen abgeschlossen. Torsten Hönisch hat 2011 in Hamburg sein Diplom in Jura gemacht und als Vorsitzender des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) die Umstellung auf die Bachelor- und Masterabschlüsse begleitet. Im Zwiegespräch unterhalten sich die beiden über Vor- und Nachteile des alten und neuen Studiensystems.

Frau Sen, Herr Hönisch, was war der schönste Moment in Ihrem Studium?

Julia-Niharika Sen:

Jetzt darf man ja nicht sagen: als es vorbei war, oder? (lacht) Also, wenn ich zurückdenke, dann fallen mir die vielen Stunden in den Fachbibliotheken ein, die ich großartig fand. Es roch staubig, und ich hatte Hunderte von Büchern um mich herum. Und ich erinnere mich an die intensiven Auseinandersetzungen über Literatur und Geschichte, an ganz viele tolle Professoren, an spannende Diskussionen über Shakespeare und Don Quichotte – und an das Latinum, vor dem ich vorher großen Respekt hatte. Ich denke vor allem an eine sehr selbstbestimmte Zeit zurück. Die Möglichkeit, sein Leben relativ frei zu gestalten und das zu machen, was einem in dem Moment wichtig war.

Was war ihnen damals wichtig?

Hönisch:

Vor allem mein politisches Engagement, das mir mehr gebracht hat als jeder Jura-Schein. Meine Arbeit für zwei Bürgerschaftsabgeordnete und auch meine Zeit im AStA waren zwar sehr zeitintensiv, aber es ging für mich auch nicht darum, schnell mit dem Studium fertig zu werden, um Karriere zu machen.Das war auch einer der Gründe, weshalb ich es so toll fand, an der Hamburger Uni zu studieren: Hier war auch politisch richtig was los. Als ich angefangen habe zu studieren, wurden die Vorlesungen regelmäßig von der marxistisch-leninistischen Gruppe gestürmt, da ging dann die Tür auf und es flogen Flugblätter. Ich fand es großartig, dass es hier so viele gab, die sich engagierten, und nicht immer alle einer Meinung waren. Außerdem geht es an einer Großstadt-Uni anonymer zu, und dadurch hatte auch ich mehr Freiheiten, mein Studium so zu gestalten, wie ich es wollte.

Apropos Freiheiten: Frau Sen, Sie haben Ihr Studium mit zwei kleinen Kindern gemeistert. Wie schafft man das?

Sen:

Das stimmt; als ich angefangen habe zu studieren, war meine Tochter gerade acht Monate alt. Als ich fertig war, ging sie zur Grundschule. Ich habe damals versucht, meine Seminare so zu legen, dass ich einen Tag in der Woche frei hatte, um zu arbeiten.

War die Regelstudienzeit dabei für Sie von Bedeutung?

Sen:

Es war mir nicht wichtig, wie lange mein Studium dauert, schließlich habe ich es mir selbst finanziert und parallel den Lebensunterhalt für mich und die Kinder verdient. Mir war vor allem wichtig, dass ich das Studium trotzdem genauso intensiv machen kann wie andere Studenten ohne Kinder und dass ich am Ende meinen Abschluss mache. Ich glaube aber auch nicht, dass es für jeden sinnvoll ist, möglichst schnell mit dem Studium fertig zu werden.

Herr Hönisch, was halten Sie davon, dass die Studenten mit den neuen Abschlüssen immer früher fertig werden?

Hönisch:

Ich bin damals spät eingeschult worden, habe meinen Zivildienst gemacht und erst mit 20 mein Studium begonnen. Heute kommen viele schon mit 17 Jahren an die Uni, die haben dann mit 20 schon ihren ersten Abschluss. Dass es da oftmals noch an Lebenserfahrung fehlt, ist ja nicht verwunderlich. Ich finde auch, dass das Studium das Leben ein Stück weit begleiten darf, dass man daran reifen darf. Man sitzt an schwierigen Themen und denkt manchmal, man würde es nie schaffen, aber gerade das Durchbeißen ist so wichtig. Wie kann ich heute schon nach sechs Semestern einen akademischen Titel bekommen? Da fing bei uns das Studieren doch erst so richtig an, als wir in die Tiefe recherchieren und uns auch mit sehr sperrigen akademischen Stoffen intensiv auseinandersetzen mussten.

Gibt es auch Vorteile im neuen System?

Ja klar. Ich habe während meines Studiums zwar viele Referate, aber nur eine einzige mündliche Prüfung gemacht, und das war das Latinum. Viele meiner Mitstudenten hatten große Angst vor der Examensprüfung, weil sie die Prüfungssituation nicht gewohnt waren. Daran können sich die Studierenden heute schon früher gewöhnen.Ich finde, dass es für die Einführung des Bachelor-/Mastersystems gute Gründe gibt, denn früher gab es beispielsweise eine viel höhere Abbrecherquote. Und es war schwieriger, sich Scheine anrechnen zu lassen, nachdem man im Ausland studiert hatte. Und das ist jetzt einfacher geworden? Mein Sohn studiert gerade Politik und Spanisch für ein Jahr in Valencia und hat große Sorgen, dass er sich hier fast nichts anrechnen lassen kann. Und das, obwohl die Studiengänge doch jetzt europaweit vergleichbar sein sollten. Genau deshalb sage ich: Die Motivation zur Umstellung war richtig, aber nun gilt es nachzusteuern.

Sie arbeiten heute beide in ganz anderen Bereichen. Frau Sen, Sie moderieren beim NDR. Hat Ihnen das Studium trotzdem genützt?

Sen:

Ja, dieses Wissen nützt mir auf jeden Fall immer noch. Zum einen moderiere ich ja die „Weltbilder“, ein politisches Auslandsmagazin. Da hilft es schon, wenn man sich in den beiden größten Sprach- und Kulturräumen der westlichen Hemisphäre auskennt. Aber ich habe im Studium auch gelernt, komplexe Zusammenhänge zu durchschauen, scheinbare Faktenlagen zu hinterfragen und natürlich auch, wie man schnell und gezielt recherchiert.

Herr Hönisch, was haben Sie aus Ihrem Studium für den Beruf mitnehmen können?

Hönisch:

Ich glaube, dass es im Studium letztlich um Persönlichkeitsbildung geht. Man lernt eine gewisse Ausdauer, sich durch Dinge durchzubeißen, und Problemlösungskompetenzen, die im Leben immer gefragt sein werden. Wichtig im Studium ist eine Neugier und dass man sich neuen Herausforderungen stellt. Da kommt es aber auch immer auf einen selber an und was man daraus macht. Und das ist dann ganz unabhängig vom Studiensystem.