Die Kinder-Uni geht mit neuen Partnern in die elfte Runde und nimmt Acht- bis Zwölfjährigen die Scheu vor Forschung und Lehre

Alles deutet auf einen Mord hin. Aus dem Gebüsch ragen die Füße eines toten Mannes mit Verletzungen an Kopf und Brust. Eine Zigarettenkippe liegt nicht weit entfernt von ihm im Gras. Wenn der Gerichtsmediziner Professor Klaus Püschel vorne im Audimax der Universität Hamburg mithilfe von Projektor und lebhaften Beispielen erklärt, wie sich mit DNA-Analysen und Computertomografien Spuren auswerten lassen, lauschen die Hörer gebannt seinen Worten.

An diesem Montag um 17 Uhr sitzen in den Bankreihen allerdings keine Studenten, sondern Mädchen und Jungen zwischen acht und zwölf Jahren, die eine Vorlesung der Kinder-Uni Hamburg verfolgen. Mit den ersten Worten des Professors wird es still im Saal. Das Thema diesmal: Wie überführt man Verbrecher? Passend zum Vortrag trägt der Rechtsmediziner einen weißen Schutzanzug, Mundschutz, Kapuze und Schuhüberzieher während er 30 Minuten über den Mordfall, ein Verkehrsdelikt sowie den vor Kurzem in den Medien gemeldeten angeblichen Mumienfund von Diepholz referiert. Danach dürfen die Kinder Fragen stellen und sich zum Schluss noch ein Autogramm des Professors holen.

Nicht nur an diesem Montag ist der Hörsaal voll. „Mehr als 1000 Kinder kommen meist zu einer Veranstaltung“, sagt Birgit Kruse, Kommunikationsverantwortliche der Universität Hamburg. Eines davon ist der achtjährige Leonard, heute zum ersten Mal dabei: „Ich wollte wissen, wie die Polizisten ihre Fälle lösen“, sagt er. Darum sei er gekommen – und es hat sich gelohnt: „Es war richtig spannend, manchmal vielleicht ein bisschen gruselig.“ Am liebsten hätte er noch mehr gehört, berichtet er, vor allem zur Mumie, bei der die genaueren Untersuchungen ergaben, dass sich unter den Bandagen dann doch nur ein präpariertes Plastikskelett befand. Auch die neunjährige Sophie ist begeistert: „Die Fälle waren toll, und alles wurde einfach erklärt.“

Dass die Veranstaltung jetzt in der elften Runde läuft, ist auch den neuen Partnern der Kinder-Uni zu verdanken. Noch Ende vergangenen Jahres schien die Zukunft der Vorlesungsreihe ungewiss, da die Förderung der Hamburger Körber-Stiftung auslief, die sich schon länger als anfangs geplant engagierte. „Nach einem Artikel im Abendblatt haben sich gleich mehrere neue Sponsoren bei uns gemeldet“, sagt Kruse. Mithilfe der vier neuen Kooperationspartner – der Claussen-Simon-Stiftung, der ETV Kinder- und Jugendförderung, der Euler Hermes Deutschland AG und der Jungheinrich AG – gehen die kostenlosen Vorlesungen für die Nachwuchsforscher weiter. Der Unterstützer der ersten Stunde, die Kinderzeitschrift „Geolino“, ist auch künftig dabei.

Überarbeitet wurde nicht nur das Logo für die Kinder-Uni, jetzt eine Eule, sondern auch die Präsenz im Internet. Die Kinder können dort inzwischen selbst Fragen für Vorlesungen vorschlagen und andere Ideen mit Sternen bewerten – und so das Vorlesungsprogramm teilweise sogar beeinflussen. Da möchte etwa Chayenne wissen: Warum können wir nicht im Weltall atmen? Oder Jonah: Wieso haben Giraffen einen ganz langen Hals? „Bisher wurden rund 30 Ideen für Vorlesungen veröffentlicht“, sagt Christine Geupel von der Claussen-Simon-Stiftung. Rund 3000 Kinder haben diese schon angeklickt und bewertet.

Die Claussen-Simon-Stiftung betreut nicht nur die Homepage, sondern nimmt auch sonst eine federführende Rolle ein: „Wir kümmern uns etwa um das Briefing für die Professoren und nehmen Kontakt zu Schulen auf“, sagt Geupel. In der Stiftung, die wissenschaftlich, technisch und künstlerisch begabte junge Menschen fördert, sieht man das Engagement für die Kinder-Uni als Fortschreibung der bisherigen Ausrichtung. „Als Stiftung unterstützen wir den Zugang zu Bildungsprojekten für unterschiedliche Altersgruppen“, erklärt Geupel. Das neue Projekt biete die Chance, auch Kindern mit eher bildungsfernem Hintergrund die Schwellenangst vor der Universität zu nehmen. Vor der schriftlichen Zusage für eine Förderung stand auch ein persönlicher Besuch einer Vorlesung an. „Die Begeisterung der Kinder überzeugte uns sofort“, sagt Geupel.

„Als Universität haben wir einen Bildungsauftrag“, sagt Kruse. Mit der Kinder-Uni möchte man die Faszination von Wissenschaft erlebbar machen. Dafür behandeln die Vorlesungen ein breites Spektrum an Themen. „Wir achten sehr darauf, dass die Dozenten unterschiedliche Disziplinen abdecken“, sagt Kruse. Schließlich seien Naturwissenschaften genauso spannend wie Geschichte oder Medizin. Alle Kinder, die am Ende bei vier Vorlesungen Stempel gesammelt haben, dürfen damit kostenlos an der Abschlussveranstaltung teilnehmen. Für alle anderen beträgt der Eintritt 6,50 Euro.

Um in die Vorlesungsreihe aufgenommen zu werden, müssen die Themen sich für eine kindgerechte Aufbereitung eignen. Zur Veranschaulichung sitzt – je nach Fragestellung – schon mal ein Streichquartett auf der Bühne, es erscheint ein Schauspieler im Ritterkostüm oder wie heute der Gerichtsmediziner in Arbeitskleidung. „So etwas Besonderes kommt immer gut an“, sagt Kruse. Auch bei Sophie und Leonard. Nicht nur deshalb sind sich beide sicher, dass es heute nicht ihr letzter Besuch auf dem Campus gewesen ist.