Carlo von Tiedemann baute 1969 die Außenredaktion des Abendblatts mit auf. Der 69-Jährige lebt in Quickborn, wo er das Himmelmoor liebt

Quickborn/Norderstedt. In Funk und Fernsehen ist er Kult. Die Hörer und Zuschauer lieben es, wenn Carlo von Tiedemann mit seinen lockeren Sprüchen und seiner flapsigen Art ihnen beim Sender 90,3 den Vormittag vertreibt oder in der Quizsendung „die Leuchte des Nordens“ kürt. Darum hat sein Haussender, der Norddeutsche Rundfunk, gerade den Vertrag mit seiner bekanntesten Stimme und dem unverwechselbaren Gesicht um drei weitere Jahre bis Oktober 2016 verlängert. Dann wäre Carlo, wie ihn alle nennen und der in einer Woche seinen 70. Geburtstag feiert, 45 Jahre beim NDR angestellt. „Das ist schon geil“, freut er sich über diese Wertschätzung seines Arbeitgebers. Dabei wissen die wenigsten, dass der Kultreporter seine ersten journalistischen Meriten beim Hamburger Abendblatt verdiente.

An diese berufliche Anfangszeit erinnert sich von Tiedemann noch genau, der seit 13 Jahren in Quickborn lebt, wo er oft im Himmelmoor spazieren geht. „Da ist viel Himmel. Das genieße ich.“ 1969 arbeitete Carlo in der Hamburg-Redaktion des Abendblatts, als die Chefredaktion den 25-jährigen Jungreporter in die Vorstadt versetzte. Zusammen mit Kollegen wie Werner Stahl, der später Redaktionsleiter der Pinneberger Zeitung wurde, sollte er die Regionalausgabe in Norderstedt aufbauen. Die Stadt gründete sich 1970 aus den Gemeinden Friedrichsgabe, Garstedt, Harksheide und Glashütte, wobei die beiden erstgenannten Orte damals zum Kreis Pinneberg gehörten.

Dort gelang von Tiedemann gleich ein Coup. Nicht mit Worten, wie bei seinem losen Mundwerk zu vermuten wäre, sondern mit einem Foto. So explodierten beim Bau des Herold-Centers mehrere Sauerstoffflaschen und von Tiedemann drückte genau in dem Moment auf den Auslöser. „Die Zündschnur war ganz schön lang“, pariert von Tiedemann im Scherz gleich jede Vermutung, er habe daran was gedreht. Nein, es sei purer Zufall und das Glück des Tüchtigen gewesen, das wohl die einmalige Karriere von Tiedemanns immer begleitet hat, erklärt er wieder ernsthaft. „Ich schaute minutenlang durch den Sucher meiner nagelneuen Spiegelreflexkamera“, erinnert er sich. Und dann knallte es plötzlich.

Später verbrachte der junge Lokalreporter noch unfreiwillig eine Nacht im Norderstedter Rathaus, wo er nach einer spätabendlichen Pressekonferenz auf dem Klo eingeschlafen war. „Wir hatten reichlich Tee und Gebäck bekommen“, umschreibt Carlo, dass er reichlich einen im Tee hatte. „Ich konnte gut mit dem damaligen Bürgermeister Horst Embacher. Kontakte sind doch alles für uns Journalisten.“ Die Putzkolonne befreite am frühen Morgen den eingesperrten Lokalreporter.

Mit dem Abendblatt, für das er bis 1971 arbeitete, verbindet den NDR-Star immer noch die morgendliche Zeitungslektüre. „Die Zeitung ist für mich unersetzbar“, sagt er mit leidenschaftlichem Nachdruck. Die Informationen, die der Leser über das aktuelle Geschehen täglich umfassend erhalte, könnten weder das Internet noch moderne iPads bieten. „Die Zeitung ist für mich unverzichtbar, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben.“ Auch die lokale Berichterstattung über seine Wahlheimat Quickborn im Kreis Pinneberger Regionalteil des Abendblatts findet seine Anerkennung. „Ich bin immer gut informiert und weiß, was im Kreis Pinneberg los ist. Das ist die Hauptsache.“

Dabei engagiert sich die NDR-Ikone auch persönlich in der Region. So unterstützt er den Verein „Quickborn hilft“, der sich spontan nach der Tsunami-Katastrophe 2004 gründete und den Flutopfern in Sri Lanka mit dem Bau einer Schule half. In Norderstedt liest Carlo von Tiedemann jedes Jahr zum Advent Obdachlosen lustige Weihnachtsgeschichten vor. Und als Bürgermeister Thomas Köppl 2010 für seine Wiederwahl Unterstützung brauchte, meldete sich der wohl prominenteste Quickborner zu Wort. „Köppl ist ein Macher, kein Schnacker.“

Diese Beschreibung gilt auch für ihn selber. Denn hinter den lustigen Sprüchen, mit denen er seine Hörer und Zuschauer unterhält, steckt nicht nur spontane Schlagfertigkeit. Vieles sage er „aus dem Bauch heraus“. Oft sei es aber vorher genau überlegt und aufgeschrieben. Wenn er also im Radio über den Sänger der Band Kansas lästert, dieser sehe aus wie „Klaus Kinski mit Langhaar-Perücke“, liest er das von seinem Spickzettel ab – doch es klingt, als ob er sich das gerade ausgedacht hat. „Das Schreiben hat mich nie losgelassen“, erklärt Carlo seine Arbeitsweise.

Am Radio liebe er, dass es das schnellste Medium sei, sagt von Tiedemann, der dem Netz diese Rolle nicht zugesteht. Da ist er zu sehr mit den altbewährten Medien verwachsen. Wie wichtig das Radio bei der Einschätzung von Katastrophen sei, habe er am 11. September 2001 und beim Fukushima-Unglück am 11. März 2011 erfahren, als er jeweils Dienst beim NDR hatte, erzählt Carlo. Durch das dichte Netz an Korrespondenten konnte da sofort das Geschehen für die Hörer begreifbar gemacht werden. „Da wird die Welt plötzlich ganz klein.“