Das erste zarte Grün im Frühling, ein Vogel im Landeanflug auf einen Zweig – und jetzt im Herbst die Blätter, die sich langsam bunt färben. „Immer wenn ich aus dem Wohnzimmerfenster gucke, sehe ich unseren Baum und freue mich“, sagt Cathrin Skeries. Die Stadtlinde mit der Positionsnummer PO 706 steht vis à vis ihrer Wohnung an der Straße Beim Alten Schützenhof in Barmbek. Dass sie ziemlich genau vor zwei Jahren dort gepflanzt wurde, hat viel mit Cathrin Skeries und ihrem Ehemann André zu tun: Es war ihr Hochzeitsgeschenk füreinander. Im Rahmen der stadtweiten Kampagne „Mein Baum – Meine Stadt“ hatten sie den Straßenbaum gespendet. Ganz genau verfolgt das Paar seitdem, wie er sich entwickelt. „Unsere Gäste von damals fragen auch immer wieder nach“, sagt André Skeries und lacht. Selbst Töchterchen Emma kennt den Baum inzwischen. Er steht am Weg zu ihrem Lieblingsspielplatz.

Vorher klaffte dort eine Lücke. Die Vorgängerin der Skeries’schen Hochzeitslinde war von einem Auto gerammt worden und hatte das nicht überstanden. Kein Einzelfall. Eine Inventur der Baumexperten bei der Umweltbehörde hatte ergeben, dass jeder zehnte der 250.000 hanseatischen Straßenbäume wegen Altersschwäche oder Krankheit abgeholzt werden musste. Für das Jahr der europäischen Umwelthauptstadt 2011 entwickelten sie gemeinsam mit der Loki-Schmidt-Stiftung und dem Hamburger Abendblatt die Idee für die bürgerliche Aufforstungsbewegung.

Dabei besannen sie sich auf ein erfolgreiches Vorbild. Schon 1972, ganz im Zeichen der Gefahren des sauren Regens, hatte das Abendblatt zu der Mitmach-Aktion „Grünes Hamburg“ aufgerufen – und die besondere Beziehung der Hamburger zu den Bäumen angestoßen. Zwischen Duvenstedt und Neugraben, zwischen Blankenese und Billstedt griffen die Menschen damals zum Spaten, darunter Prominente und Politiker wie der spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt. Mehr als 10.000 Setzlinge wurden auf öffentlichem Grund gepflanzt und noch viel mehr auf privaten Grundstücken und in Gärten.

Auch 2011 ließen die Hamburger sich nicht lange bitten, gut 300.000 Euro spendeten sie für mehr Grün in der Stadt. Während es bei der ersten Aktion aber um sehr junge Bäumchen ging, waren es dieses Mal zehn bis 15 Jahre lang vorbereitete Straßenbäume mit entsprechendem Preis. Die Stadt Hamburg war mit gutem Beispiel vorangegangen und hatte 2011 Bäume zugesagt. Zum Schluss war der Lückenschluss dicke erreicht: 2639 Bäume wurden gepflanzt, davon mehr als 600 zur Hälfte von Baumspendern kofinanziert. Die Verantwortlichen der Stadt, die viel auf ihr grünes Image hält, waren so begeistert, dass sie das Prinzip in diesem Jahr zur Regel machten. Denn es gibt ja immer wieder neue Lücken.

„Es war ein Riesenerfolg. Die Liebe der Hamburger zu den Bäumen hat uns bewogen, die Aktion fortzusetzen“, sagt Gerhard Doobe, Leiter der Abteilung Landschafts- und Grünplanung in der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt und so etwas wie der Baumpapst Hamburgs. Der Clou: Die Baumpaten können sich ihren Lieblingsstandort über eine interaktive Karte im Internet (www.hamburg.de/mein-baum-meine-stadt) selbst aussuchen. Der Jugendchor Alsterspatzen zum Beispiel hatte sich 2011 anlässlich des 25-jährigen Bestehens für eine Platane an der Straße Redder in Sasel entschieden, unweit des Übungsraums. Die türkische Gemeinde pflanzte einen Baum in Billstedt, dort war ein neues Begegnungszentrum eröffnet worden. Ehrensache, dass der gesamte Senat mitmachte, und sogar Ex-Beatle Ringo Starr spendete zwei Mehlbeeren an der Finkenstraße auf St. Pauli – in Sichtweite des Beatles-Platzes.

Dabei ist jeder Baum nicht nur schön anzusehen – ein ausgewachsener Straßenbaum schluckt im Jahr bis zu 1,5Tonnen Kohlendioxid. 2011 waren vor allem Eichen, Linden und Ahorn nachgepflanzt worden.

Besonders stark profitierte der Bezirk Wandsbek von der Baumaktion. Dort kamen mehr als 700 Bäume mit großem Organisationsaufwand noch vor dem ersten Frost in den Boden. In diesem Jahr beteiligen sich wieder zahlreiche Hamburger und auch Unternehmen. Das Prinzip ist geblieben: 500 Spenden-Euro lösen eine Pflanzung aus, den Rest zahlt die Stadt. Insgesamt stehen fortan 500.000 Euro städtische Mittel pro Jahr zur Verfügung.

„Es ist eine schöne Idee“, sagen die Baumpaten Cathrin und André Skeries. Ihre Namen stehen mit denen von 980 anderen Spendern der Kampagne 2011 auf einer großen Plexiglas-Säule, die an einer Platane auf dem Rathausmarkt angebracht ist. Gern hätten sie natürlich ihre Namen auch direkt in die Rinde ihrer Hochzeitslinde geritzt – so wie es Verliebte nun mal tun. Aber das, sagt Cathrin Skeries, verbietet sich natürlich von selbst. „Wir wollen unserem Baum ja nicht schaden. Der soll in den nächsten Jahren ordentlich wachsen.“ Das ist dann auch ein gutes Omen für ihre Ehe.