...und der NDR Chor singt sie in seinem Programm „Mass“

Wegen seines legendären musikalischen Ordnungswahns – er musste alle Viertaktperioden der Sinfonien streng durchnummerieren – gilt Anton Bruckner gemeinhin als größter Zwangsneurotiker der Musikgeschichte. Dabei gibt es einen Kollegen, der ihm in dieser Hinsicht durchaus das Wasser reichen konnte: Carl Friedrich Christian Fasch, Gründer der Berliner Singakademie, war ein ähnlicher Zahlenfreak. Wenn er so richtig schön in Stimmung kommen wollte, stellte er sich selber komplizierte Multiplikationsaufgaben – und wehe, da schlich sich ein Fehler ein!

Warum Sie das hier lesen müssen? Weil sich dieses recht spezielle Hobby des Herrn Fasch unüberhörbar in seinem Schaffen niedergeschlagen hat. Der Haydn-Zeitgenosse konzentrierte sich auf die geistliche Vokalmusik und liebte die alte Vokalpolyfonie mit ihren komplexen, bisweilen fast mathematisch anmutenden Strukturen.

In seinem bedeutendsten Werk, einer Messe von 1783, unterteilt er den Chor systematisch in vier vierstimmige oder zwei achtstimmige Gruppen und schreibt sogar eine sechzehnstimmige Monsterfuge. Fasch verbindet diese kunstvolle kontrapunktische Architektur mit einer sinnlichen Klangpracht und atemberaubender Virtuosität: Der Solosopran muss in der Messe wahre Kehlkopfkillerkoloraturen absolvieren und wird dabei mal eben bis zum dreigestrichenen C raufgejagt.

So ein Repertoire ist für Laien schlicht unsingbar – das musste schon der Komponist selbst feststellen, als eine Aufführung mit Berliner Schulchören ordentlich danebenging. Für die Profisänger vom NDR Chor bietet die Messe eine reizvolle Herausforderung. Unter Leitung des Chefdirigenten Philipp Ahmann rückt das Ensemble die Faschs Musik ins Zentrum eines Programms mit dem Titel „Missa“. Das monumentale Werk wird von Palestrina-Motetten und der „Mass“ von Igor Strawinsky gerahmt. Wie Fasch orientierte sich auch der russische Komponist, rund 160 Jahre später, an der geistlichen Musik der Renaissance – kam bei der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit jedoch zu einem ganz anderen Ergebnis.

„Mass“ 15.9., 18.00, St. Nikolai am Klosterstern; Einführung mit Habakuk Traber um 17.00 im Gemeindehaus. Karten zu 18,- (erm. 9,-) unter T. 44 19 21 92 oder www.ndrticketshop.de