Alan Gilbert hat den „Ring“ arrangiert – und gekürzt

So schön es auch sein mag, in einem Rundfunkorchester zu spielen – das Vergnügen, eine echte Oper auf das Notenpult zu bekommen, ist für die Konzertmusiker dort eher selten. Andere Baustelle eben, das mit dem Singen und der Bühne. Schon deswegen dürfte es für das NDR Sinfonieorchester ein ganz besonderes Vergnügen sein, sich auf ein spezielles Konzert mit seinem New Yorker Stammgast Alan Gilbert zu freuen, das im November für die Laeiszhalle geplant ist. Dann gibt’s nicht nur irgendeine Oper auf die Pulte, sondern gleich die Doppelrahmstufe: Richard Wagners „Ring“, im Wagner-Jahr 2013. Ohne Sänger zwar, auf die man sich einstellen müsste, aber auch das ist immer noch viel besser als gar kein „Ring“.

Gilbert, seit 2009 Chefdirigent des New York Philharmonic, weiß aus eigener Anschauung (selbst Bratscher und Geiger, Vater und Mutter Mitglied beim New York Phil), was Musiker wünschen, und hat daher ein „Ring“-Potpourri geschmiedet. Aus den gut 16 Stunden Originalmaterial der vier Stücke destillierte er knapp 50 Minuten, Basis dafür war das Arrangement seines Dirigenten-Kollegen Erich Leinsdorf, Wagner-Spezialist und langjähriger Chef des Boston Symphony Orchestra. Da das „Rheingold“ ja lediglich die kleine, sehr kurze Startrampe für das Riesen-Drama um Götter, Helden und Zwerge bildet, beginnt dieser „Ring“ im Schnelldurchlauf erst mit der „Walküre“, der gleichnamige Ritt ist ein idealer Auftakt für Gilberts „A Ring Journey“. Viele der beliebtesten Wagnerianer-Ohrwürmer sind in dieser Best-of-Sammlung enthalten: Wotans Abschied von seiner Lieblingstochter Brünnhilde, Siegfried am Walkürenfelsen, seine Rheinfahrt, die letztlich ins Verderben führt, der Trauermarsch kurz danach und als Finale des Dramas die Schlussszene aus der „Götterdämmerung“. Ergänzt immer wieder durch Passagen aus dem „Ring“, die normalerweise nicht in einer Konzertversion erklingen.

„Sogar ohne Sänger, ohne Worte wird so klar, dass es hier um etwas enorm Aufregendes und Wichtiges geht“, sagt Gilbert („I am a Ring fanatic!“) über Wagners Opern-Tetralogie, „man kann sich dieser unfassbaren Klangwelt, dieser opulenten, reichen Landschaft kaum entziehen.“ Mark Twain formulierte seine Leidenschaft für Wagner-Opern etwas anders: „Es war wunderbar, aber dann kam der Gesang, und es erscheint mir, dass für einen Uneingeweihten nichts eine Wagner-Oper vollkommener machen würde, als den Gesang auszulassen.“ Das kann man hier haben.

Ebenfalls komplett sänger- und textfrei, aber gänzlich anders ist der erste Teil des Programms: Da spielt das Orchester gut ein Jahr nach dem letzten gemeinsamen Auftritt ein weiteres Mal mit Gilbert als Dirigent und Frank Peter Zimmermann als Violinvirtuose. Für das Wiedersehen und -hören in Hamburg haben sich die beiden das Violinkonzert von Dvorak ausgewählt. Und auch durch diese Repertoire-Wahl schließt sich ein weiterer Kreis oder vielleicht besser: Ring in der Dramaturgie. Denn Dvoráks Kompositionsstil war nicht nur von Wagners Ästhetik beeinflusst, der Komponist spielte einmal sogar in einem Orchester als Bratscher, als Wagner selbst sein Werk dirigierte.

Wagners „Ring“ orchestral 7.11., 20.00, und 10.11., 11.00, Laeiszhalle. Karten unter T. 44192192 oder www.ndrticketshop.de