Wenn Ailyn Pérez als „La Traviata“ Autoscooter fährt

Schon unter normalen Umständen kann es sich ein Opernhaus von Bedeutung kaum leisten, keine gut funktionierende „Traviata“ im Sortiment zu haben. In dieser Spielzeit jedoch herrscht absoluter Ausnahmezustand: Verdis 200. Geburtstag in diesem Herbst wird landauf, landab gefeiert, da kommt die neue Hamburger Inszenierung dieser enorm populären Tragödie in Tönen gerade recht.

Im Februar hatte Johannes Eraths radikale Neudeutung des Klassikers ihre Premiere an der Dammtorstraße, nun ist sie wieder da. Die musikalische Leitung hat diesmal Alexander Joel, in der Titelpartie ist wieder, wie schon vor einigen Monaten, die Sopranistin Ailyn Pérez zu erleben. Hören wäre in diesem Fall ein etwas zu eng gefasster Begriff, denn die Amerikanerin verkörpert die todkranke Kurtisane Violetta sehr anschaulich.

Sie ist damit der Star und der schauspielerische Hingucker in einer sparsam bebilderten Geschichte, die wenig vom Historisieren und Verklären des Sujets hält, sondern dieses Drama um eine tragisch endende Liebe zu großen Teilen auf den Andeutungen eines Rummelplatzes spielen lässt. Auf einer Autoscooter-Freifläche, auf der sich – wie im richtigen Leben auch – alle Gesellschaftsschichten treffen und alle Schicksale kollidieren können. Entworfen wurde diese Bühne von Annette Kurz, die in Hamburg vor allem durch bestechende Zusammenarbeiten mit dem Thalia-Hausregisseur Luk Perceval bekannt ist.

Dort also spielt dieses Meisterwerk, wo für wenig Geld einige Momente lang das ungebremste Gefühl von Freiheit und Ungebundenheit herrschen darf, bis man am Ende doch wieder aussteigen muss und der nächstbeste für eine Handvoll Bares ans Lenkrad des Schicksals darf. Die Karambolage der Charaktere nimmt ihren Lauf, das bittere Ende zeichnet sich bereits in den ersten Momenten der Inszenierung ab.

„La Traviata“ 20., 24. und 27.9., 19.30, Staatsoper. Karten zu 5,- bis 98,- unter T.356868